Das zentrale Problem der zusätzlichen Altersvorsorge wird nicht angepackt
15. August 2023Die große Revolution findet nicht statt. Die Fokusgruppe zur Reform der geförderten Altersvorsorge schreckte vor einem radikalen Neubeginn zurück und legte stattdessen ein 132 Seiten starkes Konglomerat aus Reformoptionen vor, die zur Umsetzung empfohlen werden. Hier finden sich viele Punkte der einzelnen Interessengruppen wieder – und jede Menge wenig konkreter Vorschläge, was getan werden müsste, um die private Altersvorsorge voranzubringen.
Was tatsächlich von der Politik umgesetzt wird, ist natürlich noch vollkommen ungewiss. Aber für die Versicherer gibt es bittere Pillen zu schlucken: Ihnen droht mit dem von der Fokusgruppe mehrheitlich vorgeschlagenen Verzicht auf den Verrentungszwang und die Garantien der Wegfall ihrer Alleinstellungsmerkmale in der Altersvorsorge, die sie zum Marktführer gemacht haben. Mit der neuen Förderung von Vorsorgedepots, in die Fondsprodukte eingebracht werden können, würde sich Deutschland den angelsächsischen Konzepten einer Vorsorge über Investmentprodukte nähern – immerhin eine Revolution im Kleinen, mit wenig erfreulichen Aussichten für die Lebensversicherer.
Insgesamt gilt: Die Ideen der Fokusgruppe bringen sicherlich Bewegung in den Markt. Aber das zentrale Problem packen sie nicht an: Wie kann man es schaffen, die geförderte Privatvorsorge endlich in die Breite der Bevölkerung zu tragen, um die Versorgungslücke im Alter (insbesondere bei den Geringverdienern) zu reduzieren? Das wäre letztlich nur über eine Pflichtlösung zu erreichen gewesen – davor schreckten die Experten und die Ampelparteien aber wie schon seinerzeit Walter Riester zurück.
So bleiben die Vermittler weiter im Spiel. Das ist eine gute Nachricht für den Vertrieb, aber eine schlechte Nachricht für die Lösung des zweiten zentralen Problems: Wie kann man die Kosten der Vorsorge deutlich absenken, damit die Produkte auch hohe Leistungen für die Vorsorge erbringen? Die Expertenkommission will das Thema Kosten über entsprechende Transparenzvorgaben und erweiterte Wechselmöglichkeiten lösen, die für einen stärkeren Wettbewerb sorgen sollen. Die Erfahrungen zeigen aber, dass Transparenz kaum zu sinkenden Kosten beiträgt – weil es die meisten Kunden schlicht nicht interessiert.
Die Reformvorschläge der Expertengruppe sind ein Buffet von Ideen, an dem sich die Politik nun bedienen kann. Dass sich die Ampelparteien grundsätzlich zu den Ergebnissen der Kommission bekennen, ist zwar ein Zeichen, dass es jetzt tatsächlich an die Umsetzung gehen kann. Aber die meisten Details sind noch weitgehend offen, und der politische Nahkampf bei der dringend nötigen Neugestaltung der geförderten Vorsorge beginnt nun erst richtig. Es bleibt zu hoffen, dass er in dieser Legislaturperiode auch entschieden wird und nicht wieder vier Jahre ungenutzt verstreichen. Das kann sich das Land angesichts der Not der gesetzlichen Rentenversicherung einfach nicht mehr leisten.
Kategorisiert in: 202316 Titelthema Wirtschaftskommentar