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Der grüne Regulierungs-Tsunami

1. Februar 2022

Dr. Marc Surminski |

Der Brüsseler Nachhaltigkeits-Regulierungs-Tsunami rollt. Wenn sich Europa ein großes Ziel wählt und alle Ressourcen dafür einsetzt, produziert das Unmengen von Gesetzesvorhaben. Und der grüne Umbau von Europa ist ein wirklich großes Ziel. Entsprechend gewaltig ist das Regulierungsvolumen, mit dem Versicherer und Vermittler klarkommen müssen. Zum Teil läuft die Brüsseler Maschine dabei regelrecht heiß: Einige Gesetze zielen ins Leere, weil die Grundlagen, auf die sie sich beziehen, noch gar nicht beschlossen sind.

Im Zentrum steht das Bemühen, den schwer fassbaren Begriff „Nachhaltigkeit“ endlich so eindeutig zu definieren, dass Versicherer ihre Produkte und Kapitalanlagen danach ausrichten können, Vermittler ihre Beratung und die Kunden ihre Wünsche. Das versucht man mit diversen Regulierungsvorhaben in 2022 umzusetzen: Von der Taxonomie-Verordnung über Vertriebsvorgaben zu Nachhaltigkeitspräferenzen bis hin zu Änderungen des Solvency II-Regelwerks und zur Offenlegungsverordnung (SF-DR), die bereits seit Anfang des Jahres gilt.

Das alles hat konkrete Auswirkungen auch auf den Vertrieb von Vorsorgeprodukten. Ab August 2022 gilt bekanntlich die Pflicht, in Beratungsgesprächen zu Fonds und Versicherungsanlageprodukten die Kunden auch nach Vorlieben in punkto Nachhaltigkeit zu befragen. Das hört sich simpel an, im Detail wird es aber schnell komplex, wie ein Beispiel zeigt. Die anstehenden Änderungen zum Versicherungsvertrieb (IDD) und zum Vertrieb von Finanzinstrumenten (MiFID II) sehen drei Kategorien von Produkten vor, aus denen künftig Kunden auswählen können: (1) Produkte mit einem bestimmten Anteil an taxonomiekonformen Investitionen, (2) Produkte mit einem bestimmten Anteil an nachhaltigen Investitionen und (3) Produkte, bei denen der Anbieter die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt. So weit, so unklar. Diese eher schwammige Einteilung ist allerdings wiederum nicht deckungsgleich mit den Kategorien der Offenlegungsverordnung, daher müssen Produktanbieter im Einzelfall prüfen, ob das Produkt die Kundenanforderungen überhaupt erfüllt.

Angesichts des regulatorischen Overkills ist es ziemlich realistisch zu erwarten, dass sich Vermittler und Kunden mit den nachhaltigen Produkten zunächst eher schwertun werden. Selbst wenn bei vielen Kunden die Offenheit etwa für nachhaltige Vorsorgeprodukte zuletzt stark gestiegen sein dürfte – im Vertrieb lässt sich das angesichts der komplexen Vorgaben zunächst einmal gar nicht so zügig umsetzen. In bester bürokratischer Absicht erschwert die europäische Politik damit dem Versicherungssektor, seine Rolle beim grünen Umbau Europas angemessen spielen zu können.

Dazu kommt dann noch die Entscheidung, dass nach der Taxonomie-Verordnung Kernkraft und Gas als nachhaltige und damit investitionswürdige Wirtschaftszweige gelten. Diese nationalpolitisch motivierte Kompromissformel ist zurecht viel kritisiert worden. Auch wenn das die deutschen Versicherer in ihren Investments eher nur am Rande betrifft, sendet die Entscheidung doch ein falsches Signal an die Kunden und die Vermittler, was die Sinnhaftigkeit der europäischen Nachhaltigkeitsregulierung betrifft. Nachhaltiges Investieren und Versicherern wird aber doch in einigen Jahren Mainstream sein – und zwar nicht wegen, sondern trotz der europäischen Vorgaben. Eine starke Idee, deren Zeit gekommen ist, halten auch Brüsseler Bürokraten nicht auf.

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