Die Erfolge des persönlichen Vertriebs
15. März 2020Dr. Marc Surminski |
Wie radikal verändert die Digitalisierung den Versicherungsvertrieb? Im Markt hat sich bei dieser Frage nach anfänglicher Aufregung um digitale Angreifer eine Mainstream-Meinung herausgebildet. Sie lautet: Das wenig beratungsintensive Massengeschäft wie etwa Kfz wandert immer stärker in Online-Kanäle ab. Das komplexere Geschäft etwa in der Altersvorsorge oder in der PKV-Vollversicherung bleibt aber auch in Zukunft die Domäne des persönlichen Vertriebs.
Womöglich ist dieses Zukunftsszenario aber zu simpel. Zwar ist es den diversen neuen Online-Anbietern noch nicht gelungen, im Vorsorgegeschäft nennenswerte Marktanteile zu erobern. Dieser Teil der Marktweisheit scheint sich also zu bestätigen. Auf der anderen Seite haben es aber auch einige etablierte Versicherer zuletzt geschafft, in den Massensparten kräftig zu wachsen – und zwar über den persönlichen Vertrieb. Ausgerechnet in der besonders stark umkämpften Kfz-Versicherung ist ihnen das gelungen – allen Erfolgen von Portalen wie Check24 zum Trotz. Offenbar schätzen viele Kunden doch noch die persönliche Betreuung und haben wenig Interesse, selbst auf die Jagd nach der besten und billigsten Versicherung zu gehen.
Neben einigen regional tätigen öffentlichen Versicherern stechen hier vor allem VHV, LVM, HUK24 und Allianz hervor. Sie haben den Beweis geliefert, dass man in Kfz mit der richtigen Aufstellung auch im persönlichen Vertrieb noch kräftig wachsen kann. Die VHV hat dafür seit Jahren ihre Position als Maklerpartner für die Massensparten perfektioniert. Der LVM setzt traditionell auf seine Ausschließlichkeit, was ihm 2019 im Marktvergleich ein nahezu doppelt so hohes Beitragsplus in Kfz einbrachte. Die HUK-Coburg wächst seit Jahren online über die HUK24 gut – aber noch besser über ihren persönlichen Vertrieb. Auch die Allianz hat in der Autoversicherung 2018/2019 kräftig zugelegt, und zwar noch bevor der neue Direktversicherer etabliert war.
Diese Erfolge strafen die Markterwartung Lügen, dass es für Massensparten im persönlichen Vertrieb keine Zukunft mehr gibt. Wenn man die richtigen Produkte und die richtige Technik hat, um diese Produkte über Vertreter und Makler mit besonderen Leistungen zu konkurrenzfähigen Preisen zu verkaufen, dann kann das in Kfz auch noch in Zeiten von Check24 gut funktionieren. Im Umkehrschluss gilt natürlich auch: Wer bei Produkten, Preis und (technischem) Service für Vermittler und Kunden kaum konkurrenzfähig ist, wird künftig immer mehr Geschäft an digitale Angreifer oder besser aufgestellte traditionelle Versicherer verlieren.
Der ideale Weg in die Zukunft dürfte dabei zweigleisig sein und sowohl auf den persönlichen Vertrieb als auch auf ein digitales Angebot setzen. Die HUK-Coburg hat diesen Spagat erfolgreich vorgemacht, auch die Itzehoer, die zu den zuletzt am stärksten wachsenden Kfz-Versicherern gehörte, ist mit einer eigenen Digitaltochter erfolgreich. Bei der HUK-Coburg hilft dabei die starke Marke im Online-Geschäft. Darauf setzt auch die Allianz mit ihrem neuen Direktanbieter.
Die Marktzahlen der letzten Jahre zeigen, dass sich der persönliche Vertrieb auch in Massensparten wie Kfz, die besonders preissensibel sind und von den Vergleichsportalen stark unter Druck gesetzt werden, noch gut behaupten kann. Ob das auch so bleibt, wenn sich die Plattformökonomie künftig etablieren sollte und einige große Player dann womöglich den Finanz-und Versicherungsbedarf der Deutschen komplett und bequem abdecken, muss sich zeigen. Aber bislang gilt jedenfalls: Wer es richtig macht, hat im Geschäft über Vertreter und Makler auch in Kfz noch gute Chancen.
Kategorisiert in: 202004 Titelthema Wirtschaftskommentar