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Die Freuden der Pflicht

1. Mai 2023

Dr. Marc Surminski |

Geht es in bestimmten Geschäftsbereichen der Versicherungwirtschaft nur noch mit Pflichtlösungen? Die aktuelle Debatte erweckt den Eindruck, dass traditionelle Wege zum Versicherungsschutz bei wichtigen Risiken zunehmend an ihre Grenzen stoßen. Das ist eine gefährliche Diskussion, denn es verfestigt sich in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass die Versicherer ihre ureigene Rolle nicht mehr ausfüllen können und der Staat in zentralen Felder der Existenzsicherung aus übergeordnetem Interesse mit Zwangsmaßnahmen in den Markt eingreifen muss.

In der Wohngebäudeversicherung ist seit „Bernd“ die alte Debatte um eine Elementarpflichtdeckung in nie gekannter Intensität neu aufgeflammt. Die Bundesländer drängen auf eine Pflichtlösung. Weil die Branche mehrheitlich sieht, dass sie aus eigener Kraft nicht auf Deckungsquoten von wesentlich über 50% kommt, hat der GDV inzwischen selbst eine Pflichtvariante vorgeschlagen – freilich mit einer Opt-out-Option. Schadenprävention und individuelle Risikokalkulation sollen dabei erhalten bleiben, und das klassische Versicherungsprinzip wäre also zumindest teilweise gewahrt.

Was in Wohngebäude Branchenkonsens ist, ist in der Altersvorsorge für die Versicherer Teufelszeug. Pflichtlösungen etwa in der bAV oder für eine neue private Zusatzvorsorge lehnt die Branche auch mit Opt-out-Option ab, da der Vertrieb damit von einer wesentlichen Umsatzquelle ausgeschlossen wäre. Weil die Lebensversicherer es aber trotz eines großen Vertriebsaufwands nicht geschafft haben, die Altersvorsorgelücke für große Teile der Bevölkerung über freiwillige Lösungen zu schließen, stehen sie argumentativ gegenüber der Politik nicht optimal da, wenn sie ein Obligatorium ablehnen.

In der Pflegeversicherung wiederum hat der vom PKV-Verband eingesetzte Experten-Rat gerade festgestellt, dass es bei einer neuen Zusatz-Versicherung nicht ohne Pflichtlösung gehe, weil sonst die nötige Verbreitung dieser zukunftssichernden Deckung nicht erreicht werden könne. Im Konzept der Experten für eine kapitalgedeckte stationäre Pflege-Zusatzversicherung ist noch nicht einmal eine Opt-out-Option vorgesehen.

Die Branche wandelt beim Umgang mit der Pflicht auf dünnem Eis. Zentrale Elemente der privaten Versicherungswirtschaft sind in Frage gestellt, wenn zum Beispiel nicht mehr individuell nach Risiko kalkuliert werden kann und der marktwirtschaftliche Wettbewerb über den Vertrieb nicht mehr stattfindet. Gleichzeitig muss sie aber eine Lösung anbieten für die offensichtlichen Deckungslücken bei existentiellen Risiken – und hat hierbei zudem die Chance auf neues Wachstum.

Mit dem GDV-Modell zur Elementardeckung in der Wohngebäudeversicherung hat die Versicherungswirtschaft einen guten Ausgleich von Pflicht und individueller Kalkulation gefunden. In der Pflegezusatzversicherung wäre dagegen durch das neue Konzept die risikogerechte Kalkulation abgeschafft. In der Altersvorsorge liefe die Branche Gefahr, über eine staatlich vorgegebene Fondssparlösung nicht nur als Kapitalsammelstelle für die Altersvorsorge, sondern auch als Anbieterin von zusätzlichen individuellen Deckungen weiterer Risiken wie etwa BU aus dem Spiel genommen zu werden.

Lösungen mit einer klugen Balance beider Elemente sind nötig, damit die Versicherungswirtschaft bei den anstehenden politischen Reformprojekten nicht ins Abseits gerät. Ein „Weiter so“ mit den traditionellen Parolen wäre gefährlich, eine totale Preisgabe zentraler Elemente des Geschäftes auch.

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