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Die große Verunsicherung

1. Dezember 2022

Dr. Marc Surminski |

Nachhaltigkeit ist eine große Chance für die Vermittler, sich mit einem neuen, hochrelevanten Thema bei den Kunden zu profilieren. Momentan herrscht aber im Vertrieb großer Frust. Die meisten Vermittler sind tief verunsichert, weil es bislang kaum verlässliche Vorgaben dazu gibt, was tatsächlich nachhaltig ist. Sie wissen nicht, welche Produkte sie den Kunden empfehlen sollen, wenn diese bei der seit 2. August vorgeschriebenen Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen tatsächlich sagen, dass sie sich für nachhaltige Policen interessieren. Viele Vermittler verzichten deshalb momentan lieber darauf, die Kunden überhaupt in der Beratung auf das Thema Nachhaltigkeit anzusprechen – und verstoßen damit gegen die gesetzlichen Vorgaben.

Vor allem die Makler fühlen sich bei dem Thema im Stich gelassen. Die gebundenen Vermittler können bei der Produktempfehlung immerhin auf die Vorgaben des Versicherers zurückgreifen, der im Zweifelsfall dafür dann auch die Haftung übernimmt. Peinlich kann es hier nur werden, wenn der eigene Versicherer überhaupt noch keine entsprechenden Produkte im Angebot hat.

Bei Makler ist die Lage schwieriger. Sie müssen sich selbst nachhaltige Produkte im Markt suchen – etwa geeignete Fondslösungen für die Altersvorsorge. Das ist natürlich die ureigene Aufgabe des Maklers. Viele fürchten aber, dass sie ihr nicht gerecht werden können, weil heute niemand weiß, ob ein grünes Produkt aus 2022 auch noch in fünf oder zehn Jahren das hält, was es heute in Sachen Nachhaltigkeit verspricht. Die Makler fürchten, später von enttäuschten Kunden und findigen Rechtsanwälten in Haftung genommen zu werden für eine Produktempfehlung, die sie heute vielleicht nach bestem Wissen und Gewissen abgegeben haben. Aber womöglich wird man ihnen dann später nachweisen, dass sie damals das „Greenwashing“ bei einem Produkt hätten erkennen müssen. Sind Kunden frustriert über die Performance einer Fondslösung, kann das Thema Nachhaltigkeit schnell zum Hebel werden, um sich am Vermittler schadlos zu halten. Und weil es heute noch keine etablierten Kriterien für eine nachhaltige Produktempfehlung gibt, könnte es morgen schwer fallen, sich von der Haftung zu befreien.

Die Politik in Brüssel und Berlin hat es bislang versäumt, das Thema Nachhaltigkeit vernünftig in den bestehenden Regulierungsrahmen der IDD einzubinden. Die Tatsache, dass es schon eine Pflicht zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen gibt, obwohl die exakten Kriterien für nachhaltige Produkte noch gar nicht feststehen, zeigt die Mängel bei der Umsetzung der großen europäischen Nachhaltigkeitsziele in die Vermittlungspraxis. Das Problem dürfte zwar im kommenden Jahr mit entsprechenden Vorgaben behoben sein, aber es ist momentan nur zu verständlich, wenn die betroffenen Vermittler hier von Politikversagen sprechen.

Bei Vermittlern, die trotz aller Verwirrung um das Thema Nachhaltigkeit auf diese Karte setzen wollen, ist jetzt Pragmatismus angesagt. Sie sollten die Kunden darauf hinweisen, dass der Informationsstand etwa zur genauen Definition von nachhaltigen Produkten momentan noch nicht perfekt ist – sie aber die Entscheidung etwa für nachhaltige Fonds im Rahmen einer Altersvorsorgepolice immer über die nächsten Jahre korrigieren können, indem die Fondsauswahl angepasst wird. Das bedeutet, dass man die momentanen Unzulänglichkeiten nicht unter den Teppich kehrt. Aber ein Vermittler, der das gegenüber dem Kunden transparent macht und mit ihm jetzt trotzdem die ersten Schritte in eine nachhaltige Altersvorsorge tut, kann sich für die Zukunft eine gute Chance ausrechnen, auch langfristig der Partner in der kontinuierlichen Vorsorgebetreuung zu bleiben.

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