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Die Pflicht ruft

15. Juni 2022

Dr. Marc Surminski |

Die Pflicht ruft – und zwar die Pflicht, alle Gebäude in Deutschland gegen Elementargefahren zu versichern. Die Katastrophe im Ahrtal treibt die deutschen Politiker jetzt fast ein Jahr später tatsächlich zum Handeln. Was seit Jahrzehnten zum leeren Ritual geworden war – die Forderung nach einer Pflichtversicherung, die auf jedes Katastrophenereignis folgte – wird nun womöglich in konkrete Politik umgesetzt. Der Schock durch „Bernd“ war offenbar stärker als die bislang gegen eine Pflichtversicherung vorgebrachten juristischen Argumente, und er ließ sich auch mit dem Opting-Out-Modell des GDV nicht heilen, das ja immerhin ebenfalls eine Art Pflichtversicherung darstellt.

Dabei war für die Versicherer eine verheerende Katastrophe wie „Bernd“ nötig, um sie nach Jahren des Abwehrkampfes gegen eine Pflichtlösung in der Elementarschadenversicherung überhaupt in Bewegung zu setzen und neue Wege in der Deckung möglich zu machen. Alle früher mit viel Aufwand propagierten Versuche, auf freiwilliger Basis höhere Durchdringungsquoten zu erreichen, verfehlten letztlich das Ziel, auch wenn es die VGH in Niedersachsen immerhin schaffte, beim Einschluss von Starkregen in die Wohngebäudeversicherung freiwillig eine Einschlussquote von rd. 90% zu erreichen.

Jetzt muss man abwarten, welche Lösung die Bundesregierung für eine Pflichtversicherung vorlegen wird und welche Rolle die Versicherer in einem Pflichtmodell spielen sollen. Mit dem Gutachten der Justizministerkonferenz sind dabei die Grenzen dessen, was als juristisch unbedenklich gilt, relativ eng abgesteckt. Für die Versicherer kommt es nun darauf an, in der Öffentlichkeit und bei der Politik weiter für die Umsetzung ihrer zentralen Forderungen zu werben, damit eine Versicherungspflicht wirklich Sinn macht: Es muss risikoadäquate Beiträge und staatliche Maßnahmen zur Begrenzung des Risikos geben, etwa eine Regulierung der Bautätigkeit in flutgefährdeten Gebieten.

Was man dazu aus dem Ahrtal hört, ist wenig erfreulich: Die große Mehrheit der zerstörten Häuser wird wieder an Ort und Stell aufgebaut; übergeordnete Maßnahmen für einen koordinierten Katastrophenschutz gibt es dagegen weiterhin kaum. Offenbar hat man aus den schrecklichen Erfahrungen mit dem „Jahrhundertereignis“ wenig gelernt und macht so weiter wie bisher.

Dadurch werden Ängste bei den Versicherern geschürt, dass letztlich die Probleme der Wetterkatastrophen im Gefolge des Klimawandels bei ihnen abgeladen werden. Und dass sie keine Möglichkeit haben, auf den Umgang der Menschen mit den steigenden Risiken über die entsprechende Gestaltung des Versicherungsschutzes einwirken zu können.

Kommt es tatsächlich zu einer Pflichtlösung, sollte die Deckung analog zur ja ebenfalls gesetzlich vorgeschriebenen Kfz-Haftpflicht unbedingt nach dem Risiko des Kunden kalkuliert werden. Das dürfte für die große Mehrheit aller Gebäude in Deutschland einen bezahlbaren Versicherungsschutz bedeuten. Für besonders exponierte Risiken könnte dann eine staatlich unterstützte Pool-Lösung eingerichtet werden. Eine Pflichtversicherungslösung muss unter diesen Umständen kein Horrorszenario für die deutschen Versicherer sein. Manche von ihnen haben übrigens vor der Deregulierung in 1994 ganz gut mit einer Pflichtversicherung für Elementarschäden gelebt, ohne dass damals die Welt untergegangen wäre…

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