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Die Prämiendifferenzierung im Rahmen der Kalkulation

1. Dezember 2018

Prof. Dr. Harald Brachmann |

1. Einführung

Die Prämiendifferenzierung ist zu sehen zum einen unter Berücksichtigung einer Prämiengestaltung entsprechend einer unterschiedlichen Risikointensität (der Versicherungsschutz ist eben keine homogene Dienstleistung) und zum anderen unter dem Gesichtspunkt einer Prämiengestaltung entsprechend einer Wettbewerbsbzw. Konkurrenzsituation. Würden undifferenzierte Prämien gestellt, so führt dies zu der Situation, dass Risiken mit hohen Schadenerwartungswerten durch diejenigen mit geringen Schadenerwartungswerten subventioniert würden; zudem besteht die Gefahr, dass Risiken mit geringem Schadenerwartungswert und überhöhten Prämien den Bestand verlassen.

Grundsätzlich hat das VU bei der Prämiengestaltung die folgenden sie beeinflussenden versicherungsspezifischen Gegebenheiten zu berücksichtigen: die Vorbeiträge beruhen auf Planwerten, das Kapitalanlageergebnis ist einzubeziehen (s. die verbundene Leistungserstellung), die Leistungserstellung erfolgt permanent, die Leistungsbereitschaft beinhaltet eine Kapazitätsproblematik (s. die Fixkosten bzw. Nutzund Leerkosten), die Prämie wird als Surrogat der Qualität gesehen (s. den immateriellen Charakter der Dienstleistung
„Versicherungsschutz“).

2. Aspekte der Prämiendifferenzierung

a) Prämiendifferenzierung und Äquivalenzprinzip

Basiert die Sozialversicherung auf dem Solidaritätsprinzip, so ist die Grundlage der Individualversicherung das Äquivalenzprinzip, d.h. sie basiert auf dem Grundsatz der Übereinstimmung von Leistung und Gegenleistung bzw. dem Gleichgewicht von Prämie und Gefahrtragung. Die Prämienkalkulation berücksichtigt die unterschiedlichen Leistungen und Gefahrtragungen aufgrund der Verschiedenartigkeit der zu versichernden Risiken. Es kann unterschieden werden in ein individuelles und ein kollektives Äquivalenzprinzip, wobei das individuelle Äquivalenzprinzip das kollektive einschließt.

Eine differenzierte Risikointensität ergibt sich aus den Risikomerkmalen; hierbei handelt es sich um Eigenschaften von Risiken, wobei zwischen ihnen und dem Schadenerwartungswert ein quantitativer Zusammenhang besteht. Risikomerkmale z.B. im Rahmen der Kraftfahrtversicherung beziehen sich z.B. auf die Art des KFZ (z.B. PKW), Typenklasse des PKW, Verwendung des Fahrzeuges, Beruf des Antragstellers, Wohnort des Antragstellers, Dauer des Führerscheinbesitzes; des weiteren Zuschläge für z.B. wechselnde Fahrzeugführer, bzw. Abschläge für z.B. Wenigfahrer. Besonders in der Kraftfahrtversicherung ergeben sich etliche Abschläge; dieser Versicherungsmarkt erliegt erheblichem Wettbewerbsdruck, da er als Basis für den Ausbau der Kundenbeziehungen angesehen wird.

b) Prämiendifferenzierung und Gleichbehandlung

Gemäß § 138 Abs. 2 VAG dürfen im Rahmen der LV bei gleichen Voraussetzungen Prämien und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden. Diese Regelung beinhaltet insbesondere zwei Aspekte:

– Bei ungleichen Voraussetzungen dürfen Prämien und Leistungen nach ungleichen Grundsätzen bemessen werden. Eine inhaltliche Gleichheit besteht nicht in einer unterschiedlosen Gleichbehandlung aller in allen Beziehungen, sondern nur das, was gleich ist, soll gleich behandelt werden. Bereits Art. 3 GG fordert u.a. eine geschlechtliche Gleichbehandlung, wobei allerdings einer Gleichberechtigung der Geschlechter die Berücksichtigung naturgegebener Unterschiede zwischen Mann und Frau nicht entgegensteht (s. Mutterschutz).

In einem Urteil untersagte der EuGH eine Prämiendifferenzierung lediglich aufgrund des Geschlechtes. Allgemein dürfen ab 2006 nur geschlechtsneutrale Prämien (Unisex-Tarife) verwendet werden. Frauen und Männer erhalten dadurch bei gleichen Prämien auch die gleichen Leistungen.

Gleichzeitig weist der EuGH in seinem Urteil darauf hin, wenn Risikomerkmale einen geschlechtsspezifischen biologisch fundierten Hintergrund aufweisen.

– § 138 Abs. 2 VAG ist nicht verallgemeinerungsfähig, d. h. die Gleichbehandlung

muss jeweils gesetzlich bestimmt werden, so z. B. für die Lebensversicherung (s. § 138 Abs. 2 VAG), die Krankenversicherung (s. § 146 VAG), den VVaG (s. § 177 VAG), die UPR (s. § 161 VAG). Versicherungssparten, die das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot nicht aufweisen, unterliegen ihm nicht. Würden hier bei gleichen Voraussetzungen ungleiche Prämien und Leistungen gestellt, so würde dies allerdings dem Äquivalenzprinzip widersprechen.

c) Prämiendifferenzierung und Begünstigung

Eine Begünstigung liegt vor, wenn ein VU ohne einen sachlich gerechtfertigten Grund einen VN im Verhältnis zu gleichen Risiken, die das VU versichert, hinsichtlich Prämien, Leistungen und Bedingungen besser stellt. Diese Form der Prämiengestaltung war i. S. eines Missstandes gemäß § 81 Abs. 2 VAG a. F. untersagt. Das BMF wurde ermächtigt durch Rechtsverordnung, das Abschließen von Begünstigungsverträgen zu untersagen (s. § 298 Abs 4 VAG).

Im Juli 2017 hob das BMF das bis dahin geltende Verbot des Abschlusses von Begünstigungsverträgen auf und zwar i. S.

– der Förderung des Wettbewerbes
– eines Eingriffes in die Prämiengestaltung
– der Vertragsfreiheit; die Vertragsfreiheit bedeutet die grundsätzliche Freiheit zum Abschluss und zur inhaltlichen Gestaltung von Verträgen (Privatautonomie) und bezieht sich auf das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (s. Art. 2 GG).

Sowohl die Vertragsgestaltungsfreiheit (s. die Spannung zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit) als auch die Abschlussfreiheit (s. Kontrahierungszwang) sind nicht schrankenlos. So besteht z. B. im Rahmen der KV gemäß § 152 Abs. 2 VAG, § 193 Abs. 5 VVG die Pflicht des Versicherers, einen Basistarif anzubieten mit dem Ziel der Sicherung der Daseinsvorsorge (s. auch die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung).

d) Prämiendifferenzierung und Rabattierung

Bei der Rabattierung handelt es sich um einen Prämiennachlass, der dem VN aufgrund gewisser Leistungen gewährt wird; hierzu folgende Beispiele:

– der Schadenfreiheitsrabatt; im Rahmen der Kraftfahrtversicherung gewährt das VU dem VN einen Schadenfreiheitsrabatt, wenn er während der jährlichen Laufzeit des Vertrages keinen Schaden gemeldet hat, für den Entschädigung gezahlt oder Rückstellungen gebildet worden sind. Die Leistung des VN liegt in einer Risikominderung und zwar in der Weise, dass er im Straßenverkehr eine besondere Sorgfalt walten lässt bzw. dass er Kleinschäden nicht meldet, sondern selbst reguliert.

– der Selbstbehalt; beim Selbstbehalt (s. z.B. Wohngebäudeversicherung, Hausratversicherung, Haftpflichtversicherung) trägt der VN von jedem Schaden einen bestimmten Prozentsatz oder eine bestimmte Summe selbst. So bestehen die möglichen Selbstbehalte (300, 600, 1200) in § 152 Abs. 1, Satz 3 VAG bzgl. des Basistarifs im Rahmen der KV direkt aufgeführt. Die Leistung des VN besteht darin, dass er sich an den Schäden beteiligt.

– der Vorauszahlungsrabatt; i.d.R. handelt es sich bei der Zahlungsweise der Prämie um Vorbeiträge, die bei unterperiodischer Zahlungsweise mit einem Ratenzuschlag (die Höhe des Zuschlages verhält sich umgekehrt proportional zur Vorauszahlungsperiode) belegt werden. Finanzierungstechnisch gesehen, handelt es sich bei der Vorauszahlung durch den Abnehmer um einen Kundenkredit. Insoweit gewährt der Krankenversicherer bei einer jährlichen Beitragsvorauszahlung einen Rabatt von 3%.

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