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Ehrlich machen

1. Februar 2025

Dr. Marc Surminski |

Ein Wahlkampf ist traditionell dazu da, den Menschen Versprechungen zu machen. Im kurzen aktuellen Bundestagswahlkampf tun die Parteien alles, um diese alte Tradition mit Leben zu erfüllen. Manche überbieten sich mit der Aussicht auf neue soziale Wohltaten, andere schwören zumindest, dass sich bei den bestehenden Wohltaten nichts ändert.

Die Politiker wissen natürlich, dass sie die Versprechungen nicht erfüllen können. Aber für ein paar Wochen nähren sie bei den verunsicherten Menschen die Illusion, dass ohne große Opfer alles so bleiben oder gar noch besser werden kann. Nach der Wahl steht dann in Deutschland ein harter Kassensturz an. So wie es momentan aussieht, wird die CDU/CSU ihn als stärkste Partei in einer künftigen Regierung verantworten müssen. Ihre Koalitionspartner dürften dann darauf hoffen, sich bei den unbequemen Entscheidungen wegducken und im Zweifel alles auf die Union schieben zu können.

Natürlich ist es unklug, vor einer Wahl die Wahrheit zu sagen oder gar unangenehme Dinge anzukündigen. Gerade musste das Robert Habeck mit seinen Forderungen nach einer starken Erhöhung der Verteidigungsausgaben und einer Heranziehung von Kapitalerträgen zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung erfahren. Man kann nur hoffen, dass nach der Wahl die neue Regierung den Mut zur Ehrlichkeit findet und auch unpopuläre Entscheidungen trifft. Der letzte Politiker, der das gemacht hat, war Gerhard Schröder. Ihn haben seine einschneidenden Sozialreformen letztlich das Amt gekostet – aber Deutschland haben sie zu 20 guten Jahren verholfen. Es wird sich zeigen, wer nach der Wahl einen solchen Mut zu Reformen aufbringt. Die Signale aus der Union sind hier momentan eher entmutigend – aber wir sind ja noch vor der Wahl.

Ehrlich machen nach der Wahl bedeutet auch, das in den letzten Jahren ständig erweiterte Sozialsystem wieder auf ein finanzierbares Maß zurückzustutzen. Die Wirtschaft leidet unter den dramatisch steigenden Lohn-Zusatzkosten. Mit dem endgültigen Zuschnappen der demographischen Falle sind Reformen in den Umlagesystemen immer schwierigerer geworden. Die Politik hat es hier versäumt, in guten Jahren die richtigen Weichen zu stellen und zum Beispiel mehr Kapitalbildung in der Kranken-und Pflegeversicherung zuzulassen, um einem Puffer aufzubauen. Auch die Reform der geförderten privaten Altersvorsorge wurde über mehrere Legislaturperioden verschleppt. Damit ging Zeit verloren, die immer schwerer aufzuholen ist.

Im Kern der Reformen sollte die Erkenntnis stehen, dass die Leistungen der Sozialsysteme bezahlbar bleiben und gegebenenfalls reduziert werden müssen. Was wegfällt, kann jeder durch private Deckungen auffangen. Wer dazu finanziell nicht in der Lage ist, braucht die Unterstützung des Solidarsystems. Auf die Mehrheit der Deutschen trifft das aber kaum zu. Ihnen kann mehr zugemutet werden. Bei der Reform der Zahnbehandlungen hat das vor Jahrzehnten gut geklappt: Etliche Leistungen wurden aus der GKV ausgegliedert, und die Verbreitung von privaten Zusatzdeckungen stieg kräftig an.

Die Frage ist, ob eine neue Bundesregierung die Kraft zu unpopulären Reformen hat. Sie muss ja gleichzeitig auch noch die Verteidigungsausgaben erhöhen, die marode Infrastruktur erneuern, den Klimawandel bekämpfen, die Migration steuern und Deutschland in einer geopolitisch zunehmend frostigen Welt als Exportnation im Spiel halten. Pessimisten sagen, dass wir etwa beim Klimawandel und bei den Sozialsystemen die Kipppunkte schon überschritten haben und die Probleme mittlerweile kaum noch beherrschbar sind. Wer immer in Deutschland nach dem 23. Februar regiert, muss zeigen, dass wir doch noch umsteuern können.

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