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Eine Frage der Relevanz

15. Januar 2023

Dr. Marc Surminski |

Inflation, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Rezessionsangst machen auch 2023 zu einem Jahr der existenziellen Bewährungsproben für die Versicherungswirtschaft. Ein anderer Aspekt tritt angesichts dieser Fülle an Problemen allerdings aktuell häufig in den Hintergrund: Es ist die Frage, inwieweit die Branche angesichts einer sich rasant wandelnden Welt mit ihren Produkten und Dienstleistungen auch noch in Zukunft relevant bleiben kann.

So geht es angesichts der anstehenden Reform der geförderten Altersvorsorge um die Zukunft der Lebensversicherer als bisherige Nummer 1 der Altersvorsorge. Sollte sich die deutsche Politik für ein staatliches Aktienfondsmodell wie in Schweden entscheiden, hätten die Lebensversicherer das Nachsehen. Um in diesem Zukunftsmarkt relevant zu bleiben, muss sich die Branche bewegen. Das GDV-Konzept für eine „Bürgerrente“ ist ein erster Schritt in diese Richtung – wenn dabei auch die Frage der Abschlusskosten bislang nicht explizit angesprochen wurde. Das ist ein Tabuthema für eine Branche, in der ein riesiges Vertriebssystem pro Jahr mit rd. 8 Mrd. Euro Abschlussaufwendungen aus der Lebensversicherung gespeist wird.

Ebenso dringlich stellt sich die Frage nach der künftigen Relevanz der Versicherungswirtschaft angesichts von neuen Risiken, die heute die Kunden umtreiben: So sind Cyber-Attacken zu einer zentralen Bedrohung der Wirtschaft geworden. Als Antwort auf die immer zahlreicheren Schadenfälle wurden in letzter Zeit von den Versicherern aber die Deckungen reduziert und die Bedingungen verschärft. Bei vielen Kunden entsteht dadurch der Eindruck, dass die Versicherer keine Lösungen für neue, digitale Herausforderungen haben. Das gilt auch für die Frage, wie man künftig Innnovationen und digitales Know-how versichern kann. Solange Versicherer nur dann zahlen, wenn ein physischer Schaden vorliegt, bleibt ein erheblicher Teil der modernen Welt unversichert – und der Anteil der Assekuranz an der Wertschöpfung der Wirtschaft wird künftig sinken.

Auch in der Autoversicherung, traditionelles Kerngeschäft der Versicherungswirtschaft, droht ein zunehmender Relevanzverlust. Kfz-Hersteller wie Tesla sehen in Autos Datensammelstellen für alle möglichen Services – auch für eine neue Form der Kfz-Versicherung. Mit dem Zugriff auf die massenhaft anfallenden Fahrdaten kann Tesla seine Policen über eine eigene Versicherung konkurrenzlos günstig kalkulieren, und die traditionellen Autoversicherer haben das Nachsehen. Nur wenn die Kfz-Versicherer es schaffen, mit eigenen Telematiksystemen der Konkurrenz Paroli zu bieten und die Policen ähnlich individuell zu kalkulieren wie die Hersteller, werden sie sich behaupten können.

Ökosysteme haben ebenfalls das Potential, die Bedeutung der Versicherungswirtschaft in Frage zu stellen. Es ist völlig offen, welche Rolle gerade die vielen kleinen und mittleren Versicherer aus dem immer noch stark zersplitterten deutschen Markt in diesen Systemen spielen können. Ist es realistisch, dass Versicherer solche Systeme etwa im Bereich Mobilität dominieren können? Oder bleiben am Ende einige wenige Gesellschaften als reine Zulieferer von Policen für ein Geschäftsmodell übrig, das von Anderen beherrscht wird?

Die Versicherer müssen künftig ihre Bedeutung in ganz unterschiedlichen Bereichen beweisen. Angesichts der gleichzeitig zu bewältigenden Mammutaufgabe der digitalen Transformation und der krisenhaften Umstände, die auch 2023 prägen werden, ist das eine gewaltige Herausforderung für die Branche. Nur wer sie erfolgreich meistert, bleibt weiter relevant.

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