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Erneuerung mit Augenmaß

1. November 2022

Dr. Marc Surminski |

Die Inflation ist das zentrale Thema der Rückversicherer in der diesjährigen Erneuerung. Der dramatische Preisanstieg ist für viele Akteure der aktuellen Managergeneration eine vollkommen neue Erfahrung, denn zumindest in Deutschland lebten wir in Bezug auf die Geldwertstabilität seit Jahrzehnten auf einer Insel der Seligen. Jetzt ist die zentrale Frage, wie man die Entwicklung in den Griff bekommt und verhindert, dass man speziell in Problemsparten wie Wohngebäude unter Druck gerät. Und besonders in Haftpflicht geht es darum, was die Inflation mittel- und langfristig für die Schadenreserven bedeutet. Die BaFin erwartet Prämienerhöhungen – und warnt davor, die Rückstellungen in der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Inflation leerzufahren.

Dabei hat der Umgang mit der Inflation über die anstehende Erneuerung hinaus noch eine ganz andere Dimension für die Versicherungswirtschaft. Es geht nicht nur darum, die Branche für die nächsten Jahre auf Gewinnkurs zu halten. Es geht auch um gesamtgesellschaftliche Fragen: Wieviel Preiserhöhungen können die Privat- und Gewerbekunden am Ende tragen? Ab wann führen die nötigen Prämienanpassungen in der Erstversicherung dazu, dass Kunden auf Deckungen verzichten, weil sie sich die Prämien dafür nicht mehr leisten können? Angesicht der nie dagewesenen Sprünge bei den Kosten für Heizung und Strom werden viele Menschen in diesem Winter eine Entscheidung treffen müssen. Kommen zu den horrenden Gasrechnungen auch noch Schreiben vom Versicherer, der starke Prämienerhöhungen ankündigt, könnte das zu einer breiten Stornowelle führen: Raus aus allen Policen, die man nicht unbedingt braucht.

Die Erstversicherer und mit ihnen die Rückversicherer sind gefordert, die Preiserhöhungen für 2023 auf ein halbwegs vertretbares Maß zu reduzieren, um keinen Kahlschlag bei der Versicherungsabdeckung in Deutschland zu verursachen. Dabei könnte helfen, dass etwa die größte Sachsparte Kfz zwei herausragend ertragreiche Jahre hinter sich hat, an denen die Kunden im Gegensatz zu anderen internationalen Märkten kaum beteiligt wurden. Der Sanierungsdruck ist also nicht gar so existenziell, wie es manchmal auch von Rückversichererseite ausgemalt wird. Außerdem steigen mittlerweile die Zinsen wieder kräftig an, so dass es bei den Kapitalerträgen zu Entlastungseffekten kommen dürfte. Das gilt auch für die von der Inflation bedrohten Schadenrückstellungen. Und nicht wenige Volkswirte gehen davon aus, dass sich die Geldentwertung in 2024 wieder auf ein erträglicheres Maß reduziert haben dürfte, wenn die Verwerfungen auf den Energiemärkten weniger werden.

Erstversicherer und Rückversicherer sollten zudem verhindern, das insbesondere Privatkunden künftig wegen der Preiserhöhungen den teureren Serviceversicherern den Rücken kehren und vermehrt über die Vergleichsplattformen die billigsten Versicherer wählen. Das würde den Konsolidierungsdruck weiter erhöhen und manchen Versicherer aus dem Markt drängen.

Statt allein extreme Preiserhöhungen bei den Kunden durchzusetzen, können Erstversicherer intensiver über andere Möglichkeiten nachdenken. Dazu gehört beispielsweise, in Kfz vermehrt Telematiktarife als Mittel zur Prämienreduzierung anzubieten. Außerdem sind höhere Selbstbehalte in vielen Sparten ein Instrument, mit dem Kunden weiter Deckung zu bezahlbaren Preisen bekommen können – wenn sie bereit sind, sich von der deutschen Vollkaskomentalität zu verabschieden und einen größeren Teil des Risikos selbst zu tragen. Höhere Eigenbehalte helfen natürlich auch den Erstversicherern bei der Prämienlast in der Rückversicherung. Eine Erneuerung mit Augenmaß und nicht mit der Brechstange ist das Gebot der Stunde, damit der Versicherungsmarkt nicht in der Krise größeren Schaden nimmt.

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