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EU-Kommission auf Abwegen

15. Juni 2023

Dr. Marc Surminski |

Die EU-Kommission verfolgt das löbliche Ziel, künftig das Vertrauen der Menschen in den Kapitalmarkt zu stärken und sie vermehrt zu Investitionen in Kapitalmarktprodukte zu motivieren. Leider versucht sie, dieses Ziel mit total untauglichen Mitteln zu erreichen. Mit ihrer kürzlich vorgelegten Kleinanlegerstrategie hat sie ein bürokratisches Monster geschaffen, dass Kunden überfordert, Vermittler frustriert und letztlich kein zusätzliches Geld in den Kapitalmarkt bringen wird – was für den großangelegten „Green Deal“ der EU ein Problem wäre.

Der zentrale Fehler der EU-Kommission: Mit einer strengeren Regulierung des Vertriebs und einer überbordenden Informationsflut sorgt man nicht für verstärkte Investitionen in den Kapitalmarkt. Das kann nur geschehen, wenn man den Vertrieb mitnimmt und ihn als Motor für die gewünschte nachhaltige Kapitalmarkttransformation nutzt. Alternativ könnte man natürlich auch gleich eine Pflicht zur Altersvorsorge über einen staatlichen europäischen Fonds beschließen – aber soweit würde die dem Geist der Re-Regulierung verpflichtete EU-Kommission dann wohl doch nicht gehen. Ihre im Entwurf der Kleinanlegerstrategie enthaltenen Pläne, Produkte künftig in einen engen Kosten- und Leistungsrahmen zu zwängen, atmen aber auch so schon den Geist der Zeit vor der großen europäischen Deregulierung 1994, als die Vorab-Produkt-Kontrolle durch die Aufsicht einen freien Wettbewerb weitgehend ausgeschaltet hatte.

Im Mittelpunkt der Kommissionsphilosophie steht der Gedanke, dass der Provisionsvertrieb die Wurzel allen Übels bei Kapitalanlagen und Lebensversicherungen sei, weil er die Verbraucher substantiell benachteilige. Bei der Provisionsvergütung gibt es sicherlich in manchen Fällen einen Widerstreit mit den Kundeninteressen, der gelöst werden muss. Es ist aber ein abenteuerlicher Trugschluss zu glauben, dass ein Verbot von Provisionen dazu führen würde, dass sich mehr Bürger am Kapitalmarkt engagieren. Das Gegenteil wird der Fall sein. Alle Erfahrungen aus Ländern mit Provisionsverbot zeigen, dass sich dann weniger Kunden beraten lassen, weil sie sich die Beratung gegen Honorar nicht leisten können (oder wollen).

Zwar hat die verantwortliche EU-Kommissarin McGuinness, erklärte Befürworterin eines Provisionsverbots, nach erheblichem Widerstand aus den EU-Staaten in ihrem Entwurf zur Kleinanlegerstrategie nun von einem generellen Verbot abgesehen. Erstaunlicherweise findet sich aber versteckt in den gut 100 Seiten des Entwurfs ein Verbot, für unabhängige Beratung eine Provision zu verlangen. Nun hat auf dem BDVM-Symposium kürzlich ein hochrangiger Vertreter der EU-Kommission tausend Eide geschworen, dass mit dieser Formulierung keinesfalls ein Provisionsverbot für Makler gemeint sei, sondern es auf Honorarberater abziele. Bis diese „unglückliche Formulierung“ aus dem Entwurf verschwunden ist, fällt es aber allen Betroffenen schwer, das auch zu glauben.

Hoffnung bringt in dieser ganzen EU-bürokratischem Musterveranstaltung die Tatsache, dass der Entwurf der Kommission nur der Auftakt des Gesetzgebungsverfahrens ist. Die nationalen Regierungen und das Europarlament haben die Gelegenheit, die Pläne auf eine vernünftige Grundlage zu stellen und Wege zu finden, wie das Investment in den Kapitalmarkt tatsächlich erhöht werden kann. Für Deutschland ist diese Hoffnung allerdings etwas getrübt: Außer der FDP gibt es in der Ampelkoalition niemanden, der sich wirklich für die Interessen der Vermittler und für einen freien Markt einsetzt. Bei der SPD und den Grünen gibt es viele Befürworter eines Provisionsverbots – hier herrschen ähnlich wie bei den meisten Verbraucherschützern ideologisch verfestigte Grundüberzeugungen, die sich durch alle Erfahrungen aus der Praxis bislang nicht erschüttern ließen.

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