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Falsche Weichenstellungen

15. März 2019

Dr. Marc Surminski |

Der Ausbau des Sozialstaates ist für die Bundesregierung nach zehn Jahren Wirtschaftsboom offenbar der Königsweg, um dieses Land zukunftsfähig zu machen. Weil die Sozialkassen durch die Rekordbeschäftigung so voll sind wie seit Menschengedenken nicht mehr, werden immer neue Wohltaten ausgeschüttet. Eine paradoxe Entwicklung: Wohl niemals zuvor ging es den Deutschen so gut wie heute. Und trotzdem setzen die Politiker auf den gewaltigen Ausbau sozialstaatlicher Fürsorge, als drohe massenhaft Armut und Elend. Nach der Rente mit 63 und der Mütterrente – beides milliardenschwere Geschenke der letzten Großen Koalition an ihre Klientel – steht nun die Grundrente auf der Agenda.

Die mühsam erreichte Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung wird mit diesen teuren, über viele Jahre zu bezahlenden Programmen ohne Not aufgegeben. Die Finanzierung der Umlagerente, aus gutem Grund immer noch die wichtigste Stütze der Altersvorsorge in Deutschland, ist wegen dieser neuen Lasten schon in wenigen Jahren kaum noch zu stemmen. Denn mit dem Renteneintritt der Babyboomer steht dem Umlagesystem der definitive Härtetest noch bevor. Die Politiker handeln aber heute mit ihren Leistungsaufstockungen so, als ob sie morgen auf keinen Fall mehr im Amt sein werden. (Für etliche Meinungsführer der Großen Koalition dürfte das ja auch zutreffen.)

Eine leistungsstarke Wirtschaft und gut ausgebildete Menschen sind die beste Voraussetzung für den künftigen Wohlstand. Wo es Schieflagen gibt (etwa bei Alleinerziehenden und ihren Kindern), muss man gezielt helfen, aber nicht mit der großen Gießkanne eine
„Respektrente“ über alle Menschen ausschütten, weil die Prüfung der Bedürftigkeit offenbar die Menschenwürde verletzt. Private und betriebliche Vorsorge kommen in diesem sozialpolitischen Lala-Land kaum noch vor. Heil verspricht offenbar nur der Staat. Die Reform der bAV, von der letzten Bundesregierung umgesetzt, findet kaum Fürsprecher; das Sozialpartnermodell kommt nicht in Gang, seit Andrea Nahles dafür nicht mehr zuständig ist. Von der geplanten Reform der Riester-Rente ist bisher nichts zu hören, dabei ist die Legislaturperiode schon beinahe zur Hälfte vorbei.

Die Versicherer hoffen seit Jahren darauf, dass die private Vorsorge der große Nutznießer bröckelnder staatlicher Sicherungssysteme sein wird. Das Potenzial ist gewaltig; leider haben aber etliche Lebensversicherer mit ihrer Performance der letzten Jahre nicht gerade Werbung für die Überlegenheit privater Vorsorge gemacht, und es ist kein Wunder, dass sie heute unter verschärfter Beobachtung der Politik stehen. Und wer Millionen Bestandsverträge an einen externen Investor verkauft, empfiehlt sich nicht gerade als langfristige Alternative für die Altersvorsorge.

Dabei ist die Lösung ganz offensichtlich, und in allen Industrieländern wird sie mehr oder weniger erfolgreich angewandt: Ohne private oder betriebliche Ergänzung der staatlichen Vorsorge unter Ausnutzung der Möglichkeiten des Kapitalmarktes gibt es keine zukunftsfesten Sozialsysteme. Auch in Deutschland hatte sich diese Erkenntnis schon einmal durchgesetzt – von grün über rot bis schwarz. Das scheint heute vergessen. Der Zeitgeist auch in der Öffentlichkeit hat sich völlig gedreht. Für die Versicherungswirtschaft muss es jetzt darum gehen, gute Angebote für eine kostengünstige, renditestarke Vorsorge zu machen, um die Politik vor völlig falschen Weichenstellungen zu bewahren. Das wird eine gewaltige Herausforderung. Die Branche kann dabei allerdings auf einen wichtigen Verbündeten zählen: Die meisten Menschen wissen längst, dass es ohne mehr zusätzliche Vorsorge nicht geht. Sie sind klüger als die Politiker. Vielleicht lässt sich darauf bauen.

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