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Gegen den Zeitgeist

2. April 2018

Dr. Marc Surminski |

Es ist eine paradoxe Situation: Deutschland geht es wirtschaftlich so gut wie lange nicht mehr. Die Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie zuletzt vor Jahrzehnten, die Wirtschaft wächst solide und verlässlich und mir ihr auch die Einkommen. Trotzdem herrscht in der öffentlichen Debatte momentan der Eindruck vor, als ob schwere soziale Probleme diese Republik erschütterten. An den „Tafeln“ der Großstädte, so wird es häufig dargestellt, kämpfen die Armen, Alten und Schwachen buchstäblich ums nackte Überleben. Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung stehen auf der Agenda der meisten Politiker von links bis rechts ganz oben.

Wer gegen den Konsens verstößt wie der neue Gesundheitsminister Jens Spahn und darauf hinweist, dass Hartz IV durchaus kein Leben in Not und Elend bedeutet, wird in der öffentlichen Debatte als herzlos und unsozial gebrandmarkt. Die Konsensmaschine funktioniert in den Medien und in der Politik auf bewährte Weise; wirtschaftsliberales Denken findet momentan offenbar nur noch im kleinen Häufchen der FDP statt, die im Bundestag zu weitgehender Wirkungslosigkeit verdammt ist, seit sie vor Jamaika zurückschreckte.

Unter diesen Umständen ist es für die Versicherer, die in der Alters- und Krankenvorsorge aktiv sind, äußerst schwer, sich Gehör zu verschaffen. Zwar will die Politik durchaus mehr tun für zusätzliche Vorsorge. Aber wie das geschehen soll, dürfte den Versicherern wenig gefallen. So ist etwa im Programm der GroKo von einer Standardisierung der Riester-Policen die Rede. Und nicht nur die Grünen, sondern auch viele CDU-Politiker haben Sympathien für die Deutschland-Rente, die ja so eine Art Staatsversicherung auf kapitalistischer Grundlage sein soll.

Die Versicherer stehen vor der großen Herausforderung, angesichts dieser Stimmungslage die Politik davon zu überzeugen, dass sie die besseren Lösungen für die Alters- und Krankenvorsorge haben. Das fällt schwer angesichts der vielen Probleme, denen sich Lebens- und Krankenversicherer momentan gegenübersehen: Manches, wie die Zinskrise, haben sie nicht zu verantworten, anderes wie zu hohe Kosten und Intransparenz sehr wohl. Die Umsetzung des LVRG gehört jedenfalls nicht zu den Ruhmesblättern der jüngeren deutschen Assekuranzgeschichte. Hilfreich ist es auch nicht, wenn zwei der größten Lebensversicherer mitten in der Endphase des Bundestagswahlkampfes ihre Run-off-Pläne in die Öffentlichkeit dringen lassen und damit das Vertrauen in die private Vorsorge nachhaltig erschüttern. Eine Branche, die nach außen den Eindruck vermittelt, dass sie kein verlässlicher Anker für die Altersvorsorge der Bundesbürger mehr ist, darf sich nicht wundern, wenn sie dafür von der Politik die Quittung bekommt. Bei der Neusortierung der Lebensversicherung, die ja mit der Evaluierung des LVRG in diesem Jahr ansteht, dürfte die Assekuranz jedenfalls nicht die besten Karten haben.

Die deutsche Versicherungswirtschaft hat momentan den Zeitgeist gegen sich, und sie hat in der Politik weniger Freunde als nötig wäre, um sich den Zumutungen der ganz großen sozialdemokratischen Konsensgemeinschaft zu widersetzen. Sie hat aber von der alten Regierung noch die Sozialpartner-Rente in der bAV, aus der eine Erfolgsgeschichte werden sollte, um dann andere Forderungen nach Einheitslösungen in der privaten Vorsorge eher abwehren zu können. Von der Nahles-Rente werden aber nur wenige große Anbieter mit den entsprechenden Möglichkeiten bei den Tarifpartnern profitieren. Die Mehrheit der Lebensversicherer muss weiter versuchen, gegen die schlechte Stimmung für Privatvorsorge über ihre wichtigste Waffe zu den Kunden vorzustoßen: den persönlichen Vertrieb. Nur er kann die Menschen im direkten Gespräch davon überzeugen, das Heft bei der Vorsorge selbst in die Hand zu nehmen. Ob das reicht, um weiter die Nummer 1 in der Altersvorsorge zu sein, muss sich zeigen.

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