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Gut, dass die Blase platzt

15. August 2022

Dr. Marc Surminski |

Über viele Jahre stiegen weltweit die Investitionen in Insurtechs immer stärker an. Selbst Corona versetzte dem Hype keinen wesentlichen Dämpfer. Gründer, Investoren und Berater wollten vom Wort „Blase“ nichts hören. Dabei war ziemlich klar, dass so viel Geld nicht allein deswegen in die Insurtechs floss, weil deren Ideen alle so überzeugend gewesen wären, sondern weil schlichtweg zu viel Investorengeld im Umlauf war, dass irgendwie mit Zukunftsperspektive angelegt werden musste.

Diese Zeiten sind vorbei. Im ersten Halbjahr 2022 brachen die Investitionen in Insurtechs weltweit um gut die Hälfte ein. Die unsicheren politischen Zeiten, aber vor allem die Rückkehr der Zinsen ließen den Geldstrom kräftig zurückgehen. Jetzt sind die Zeiten des Anlagenotstands vorbei, die Investoren haben wieder Alternativen für ihr Geld und müssen nicht mehr riskante Wetten auf zukünftige Erfolgsmodelle von digitalen Gründern eingehen.

Zudem zeigte sich, dass bisherige Überflieger-Insurtechs wie Lemonade stark mit der Realität des Versicherungsgeschäfts zu kämpfen haben, in der extremes Wachstum oft mit hohen Schadenquoten einhergeht. Skalierbarkeit, im digitalen Geschäft ein entscheidendes Erfolgskriterium, ist im Versicherungsgeschäft eben nicht so einfach zu haben. Und wenn die Kunden gehen, bleiben oft die Schäden – anders als bei den Kunden eines Streaming-Dienstes.

Platzt nun die Insurtech-Blase, ist das auch eine gute Nachricht. Denn der innovationsträchtige Insurtech-Markt wird damit wieder auf ein vernünftiges Maß zurückgestutzt. In Zeiten des Hypes wurde das reichlich vorhandene Geld bei der Jagd nach dem nächsten Einhorn auf alles geschüttet, was eine schöne Erfolgsstory formulieren konnte. Motto: Stupid Money traf clevere Firmengründer. Jetzt kann in den Umgang mit Insurtechs endlich wieder Realismus einkehren.

Und ein realistischer Blich auf Insurtechs zeigt: Ihr Potenzial, die Versicherungswirtschaft bei der Digitalisierung substantiell voranzubringen, ist trotz vieler gescheiterter Hoffnungen immer noch groß. Es sind weniger die großen, disruptiven Ansätze, die Erfolg versprechen, sondern eher die kleinen Lösungen, die einer nach wie vor schwer unter ihren IT-Altlasten leidenden Branche weiterhelfen können. Zahlreiche Projekte und Kooperationen laufen schon erfolgreich – ohne dass es immer große Schlagzeilen macht. Die enge Zusammenarbeit von Versicherern mit Insurtechs bei der Lösung einzelner Probleme ist ein Erfolg. Ob wir einen disruptiven Newcomer wie Lemonade in Deutschland brauchen, ist fraglich. Aber gute Ideen, wie etwa die Kommunikation mit den Kunden endlich verbessert und die Schadenabwicklung tatsächlich digitalisiert werden könnte, sind weiter wichtig. Daher sollte das Platzen der Insurtech-Blase kein Grund zur Selbstzufriedenheit in der Versicherungswirtschaft sein. Manche Newcomer haben ihre zum Teil vollkommen überzogenen Versprechungen nicht eingehalten. Aber die deutschen Versicherer tun gut daran, weiter intensiv auf die Innovationskraft einzelner Startups zu setzen, um Leerstellen in ihrem eigenen Geschäft zu schließen und die digitale Transformation zu beschleunigen, wenn das aus eigener Kraft schwerfällt. Das ist auch eine gute Strategie, um sich künftig gegen den Angriff großer digitaler Player wie Amazon zur Wehr setzen zu können, wenn die irgendwann einmal darüber nachdenken sollten, tatsächlich den Versicherungsmarkt aufzurollen.

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