Insurtech-Dämmerung
15. Februar 2023Dr. Marc Surminski |
Die Zeiten des großen Insurtech-Hypes sind vorbei. Nach Jahren eines scheinbar unendlich sprudelnden Kapitalstroms haben sich die Investorengelder in 2022 um die Hälfte reduziert. Die Zahl der weltweiten Insurtechs ist seit 2019 von etwa 3.000 auf nur noch gut 2.000 zurückgegangen. Beim größten deutschen Insurtechs Wefox, bislang ein Liebling der Szene, werden Stellen abgebaut.
Die Geschichte von der großen Disruption der Versicherungwirtschaft durch die Insurtechs ist auserzählt. Eine spürbare Disruption des Marktes hat es nicht gegeben – auch nicht in den USA, wo Newcomer wie Lemonade bisher trotz einiger Erfolge eher mühsam von der Stelle kommen. Stattdessen haben die Versicherer, von den Insurtechs zurecht oft für ihre digitale Rückständigkeit gescholten, die Herausforderungen angenommen und selbst große Fortschritte bei der Transformation ihres Geschäfts gemacht. Anders als etwa in China, wo es ein Unternehmen wie Ping An in einem noch kaum entwickelten Markt als digitaler Player bis an die Spitze geschafft hat, zählt in den etablierten Märkten Kundenkontakt, Vertriebskraft und Know-how bei der Verteidigung der Vormachstellung durch die etablierten Versicherer. (Hohe regulatorische Hürden haben natürlich auch geholfen.)
Erfolg haben die Insurtechs heute eher außerhalb des öffentlichen Scheinwerferlichts: als Kooperationspartner für Versicherer, um diesen in speziellen Bereichen bei der digitalen Weiterentwicklung zu helfen. Hier liegt das eigentliche Geschäftspotenzial der Newcomer – und nicht in der Revolutionierung des Versicherungsmarktes. Für diesen doch eher bodenständigen Geschäftsansatz gab es aber natürlich deutlich weniger Investorengeld. Wer dagegen die Eroberung der Versicherungswelt versprach, dem floss das Geld in Zeiten von Nullzinsen und überschießendem Kapital auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten reichlich zu.
Das Paradebeispiel ist Wefox. Das Unternehmen hat es mit großen Finanzierungsrunden in den letzten Jahren auf einen Kapitalzufluss von 1,3 Mrd. US-Dollar gebracht. Inzwischen stellt sich aber immer dringender die Frage, was das Unternehmen mit diesem Geld eigentlich anfängt. Kaum jemand im deutschen Versicherungsmarkt wüsste zu sagen, wie denn eigentlich genau das Geschäftsmodell von Wefox aussieht. Von den angekündigten großen technischen Neuerungen ist bislang wenig zu sehen; eine neue Vergleichsplattform wird erst in ein oder zwei Jahren fertig sein. Der Aufbau eines kleineren Versicherers und der Kauf von einigen Maklern und Assekuradeuren steht auf der Haben-Seite; allerdings fiel das Unternehmen auch mit einer zweifelhaften Kundengewinnungsaktion bei Studenten auf, mit der zwischenzeitlich für einen hohen Zustrom an Kunden gesorgt werden sollte.
Das Wefox wie so viele andere Insurtechs noch keinen Gewinn macht, ist dabei nicht das Problem. Aber dass man irgendwann einmal liefern muss, wenn man vollmundig die Eroberung der Welt versprochen hat, dürfte die Investoren schon her beschäftigen.
Wefox steht für den extremem Hype, der bis vor Kurzem im Insurtech-Markt herrschte. Mit dem Versiegen des Investorenkapitals, das mit der Zinswende wieder andere Alternativen hat, ist die Entzauberung der Szene eingeleitet. Am Ende wird eine Menge Geld verbrannt sein. Und die Insurtechs sind auf das reduziert, was sie eigentlich am besten können: Versicherern dabei zu helfen, die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen. Denn die Hilfe von leistungsstarken Insurtechs ist dringend nötig, wenn die Versicherer künftig gegen die Konkurrenz der großen Digitalkonzerne bestehen wollen, die über kurz oder lang auch die Versicherungswirtschaft angreifen werden.
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