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Insurtechs: Erfolg ohne Revolution

15. November 2020

Dr. Marc Surminski |

Es gibt momentan widersprüchliche Meldungen aus der Insurtech-Szene. Noch nie haben die Startups weltweit mehr Geld erhalten als im dritten Quartal 2020. Gleichzeitig sind zwei profilierte Unternehmen hierzulande in den letzten Wochen insolvent geworden, weil Investoren den Geldhahn zudrehten. Das zeigt: Der Hype um Insurtechs als Innovationsmaschinen für die Versicherungswirtschaft ist ungebrochen, die Gelder der Investoren fließen nach einer Corona-bedingten Schrecksekunde wieder reichlich. Aber bei den Insurtechs trennt sich auch immer schärfer die Spreu vom Weizen. Das ist eine völlig normale Entwicklung im hochspekulativen Markt der Startups, bei dem natürlich auch viel Geld für heiße Luft ausgegeben wird, und nur wenige Unternehmen wirklich erfolgreich sein können.

Mit Getsurance und Joonko verfehlten jetzt zwei deutsche Unternehmen eine Anschlussfinanzierung, die große Ziele als selbstständige Player im Versicherungsmarkt hatten. Getsurance wollte komplexe Produkte wie Berufsunfähigkeitsversicherungen online verkaufen und ist mit dem Konzept, wie von vielen vorhergesagt, nun letztlich gescheitert. Joonko plante, eine neue Vergleichsplattform aufzubauen, um dem Marktführer Check24 Konkurrenz zu machen. Beide setzten auf den direkten Kontakt zum Kunden. Das hat sich, wie zuvor auch schon bei Knip und anderen Insurtechs, als schwierig herausgestellt.

Denn: Die digitale Umgestaltung der deutschen Versicherungswirtschaft mag vom Angriff der Insurtechs beflügelt werden – gestaltet wird sie aber im Wesentlichen von den traditionellen Versicherern selbst, die trotz aller technischer und struktureller Defizite die Herausforderungen angenommen haben und die Digitalisierung des Geschäftes vorantreiben. Sie haben dabei zwei unschätzbare Vorteile: Zugang zu Kunden und etablierte Marken. Auf die zentrale Frage „Wie kommen die Versicherer zum Kunden?“ haben die Insurtechs bislang keine überzeugende Antwort gegeben. Bis auf Check24 gibt es niemand, der den Versicherern heute die Kundenschnittselle wirklich streitig macht.

Selbst in den USA ist es nicht sicher, dass milliardenschwere Startups wie Lemonade oder Oscar tatsächlich auf die kritische Masse im Neugeschäft kommen, mit denen sie den etablierten Branchenriesen gefährlich werden können. Versicherung ist eben kein Markt, der von einigen Tech-Firmen neu erfunden worden ist (wie es Google, Amazon & Co. seinerzeit in ihren Bereichen taten), sondern ein hochentwickelter Wirtschaftszweig, bei dem echte Disruption offenbar einigermaßen schwerfällt. Die traditionellen Anbieter können in diesem Geschäft mit eigenen digitalen Innovationen gegenhalten, wenn ein Newcomer zunächst etwa mit Verbesserungen im Abschlussprozess oder beim Schadenmanagement glänzt.

Die Zukunft der Insurtechs dürfte auf dem deutschen Markt nicht so sehr im Aufbau eigener Plattformen oder Versicherungsgesellschaften liegen, sondern in einer Rolle als Technologiepartner und Zulieferer von digitalen Lösungen für die Versicherer. Hier werden, oft weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, schon etliche Erfolgsgeschichten geschrieben. Hier setzen immer mehr Versicherer auf Kooperationen mit den Startups. Die Old Economy sichert sich die Innovationskraft der Newcomer – und ihrem eigenen Geschäftsmodell damit die digitale Zukunft. Das ist nicht so spektakulär wie die Aussichten auf eine Revolution in der Assekuranz, die manche sendungsbewussten Insurtech-Propagandisten bis heute medienwirksam verbreiten. Aber es ist deutlich erfolgreicher für alle Beteiligten.

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