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Kleineres Übel Run-off?

23. April 2018

Die Run-off-Debatte erwischt die deutsche Lebensversicherung zur Unzeit. Bei der möglichen Neuordnung der Altersvorsorge unter einer neuen Bundesregierung (Stichwort „Deutschland-Rente“), bei der überfälligen Anpassung des ZZR-Modells und der anstehenden Evaluierung des LVRG ist sie auf das Wohlwollen der Politik angewiesen. Da wirkt die Empörung über große Lebensversicherer, die sich in den Augen der Öffentlichkeit bei ihren Altbeständen aus der Verantwortung stehlen, extrem kontraproduktiv. Mit einer besseren Kommunikation ist es hier auch nicht getan, denn derartig schlechte Nachrichten sind nun einmal kaum angenehm zu kommunizieren.

Dabei ist der externe Run-off ein betriebswirtschaftlich vollkommen vernünftiges Mittel, um sich aus Geschäft zurückzuziehen, das man aus was für Gründen auch immer nicht mehr sinnvoll betreiben kann. (Auch wenn es das Eingeständnis ist, dass das traditionelle Geschäftsmodell der deutschen Lebensversicherung unter geänderten Marktbedingungen nicht funktioniert hat.) Will man aber weiter in der Altersvorsorge aktiv sein und mit Vermittlern auch nach einem Run-off erfolgreich zusammenarbeiten, ist die Weitergabe der Bestände an externe Abwickler keine gute Idee. Wenn die Not mit den Altverträgen wirklich so groß ist, dass man den Bestand loswerden muss, um Schaden vom Unternehmen abzuwenden, dann erscheint der Run-off als das kleinere von zwei Übeln. Wenn man den Altbestand aber abgibt, um das Eigenkapital zu stärken und bei Analysten zu glänzen, wird man damit am Ende mehr Schaden anrichten, als man Nutzen hat, denn der Preis ist hoch: nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch bei den Vermittlern.

Die Munich Re, die über viele Jahre ein hervorragendes Verhältnis zur deutschen Politik aufgebaut hat, scheint bei den Run-off-Plänen ihrer Tochter Ergo das Risiko auszublenden, das dadurch ihrem eigenen Erstversicherungsgeschäft, aber auch dem ganzen Markt droht. Staatsmännisch ist diese Haltung nicht gerade, auch wenn es natürlich erlaubt sein muss, zumindest die Option eines Verkaufs einmal durchzurechnen. Ein paar Jahre lang könnte man aber in Düsseldorf und Hamburg den großen Ergo-Altbestand schon noch wie ursprünglich geplant einigermaßen solide in Eigenregie abwickeln, bis dann irgendwann der Rest ohne große öffentliche Aufregung abgegeben wird. Oder ist die Weitergabe der Altlasten an externe Abwickler schlicht die Voraussetzung für einen Verkauf des gesamten Erstversicherungsgeschäftes der Munich Re?

Die Generali ist bei ihrer Run-off-Strategie vor allem vom Wohlwollen ihres dominanten Vertriebsweges DVAG abhängig. Es macht die Sache womöglich etwas einfacher, wenn Deutschlands größter Vertrieb weiter erfolgreich Konzernprodukte verkauft, egal welcher Name darauf steht und wie stark das Image der Generali gelitten hat.

Der Massen-Run-off wäre ohne Frage ein Image-GAU für die deutsche Lebensversicherung und würde ihre führende Rolle in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge in Frage stellen. Allerdings ist durchaus noch Schlimmeres denkbar: Sollte sich unter der Last der fortlaufenden Zinskrise zeigen, dass einige Gesellschaften tatsächlich ihre Leistungsversprechen nicht erfüllen können, dann müsste die BaFin eingreifen und über § 314 VAG die Leistungen herabsetzen. Die große japanische Lebensversicherungskrise wurde nach einigen Versicherer-Insolvenzen mit drastischen Eingriffen auf der Leistungsseite bewältigt. In einer konsensorientierten Gesellschaft wie der japanischen mag eine solche Rettung funktionieren. In Deutschland würden solche Zwangsmaßnahmen zum Erhalt einzelner Lebensversicherer den Tod der Branche bedeuten. Insofern könnte sich ein geordneter Massen-Run-off mit dem Erhalt der Garantieleistungen trotz all seiner schweren Probleme letztlich noch als das kleinere Übel für die Branche herausstellen – wenn nicht am Ende dann auch die Run-off-Finanzinvestoren ohne Scham auf den 314 VAG hoffen, um ihr Engagement zu retten…

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