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Liquiditätsfalle oder Zinsfalle?

1. April 2023

Dr. Marc Surminski |

Wenn Banken schwere Fehler machen und das Vertrauen ihrer Kunden verlieren, dann haben sie kaum keine Chance, einen Run der Kunden zu verhindern. Auch strengere Eigenkapitalvorschriften würden nicht helfen, wenn alle in Panik an ihr Geld wollen. Bankgeschäft funktioniert eben nur, weil die Kunden der Zahlungsfähigkeit der Institute vertrauen. Und deshalb müssen die Banken im Normalfall auch nicht das Geld ihrer Kunden im Keller horten, sondern können sinnvoll damit arbeiten – ohne befürchten zu müssen, dass morgen alle das Geld abziehen wollen.

Die neue Bankenkrise, von der nach der Pleite der Silicon Valley Bank und der Zwangsfusion der maroden Credit Suisse mit der UBS viel die Rede war, hat sich wegen des massive Eingreifens des Staates bislang nicht manifestiert. Der Vertrauensverlust ist – anders als in der großen Finanzkrise 2007/2008 – nicht zu einem Flächenbrand geworden. Und die direkte Ansteckungsgefahr für die Versicherer – etwa durch wertlos gewordenen Bankpapiere – ist offenbar sehr gering.

Trotzdem wirft die radikale Zinswende, die der Silicon Valley Bank das Genick gebrochen hat, auch für die Versicherer elementare Fragen auf. Die BaFin warnt schon seit Monaten vor möglichen Liquiditätsproblemen von Lebensversicherern, falls vermehrt Kunden stornieren, weil es anderswo wieder höhere Zinsen gibt. Sollten von den gewaltigen Einmalbeiträgen der letzten Jahre größere Summen abfließen, müssten Anlagen in erheblichem Umfang mit Verlust verkauft werden, um die Kunden auszuzahlen. Das könnte einige Versicherer in ernste Schwierigkeiten bringen.

Bislang gibt es im Markt noch keine Anzeichen für eine erhöhte Stornowelle, aber Banken und freie Vermittler könnten angesichts der verlockend hohen Kapitalmarktzinsen dafür sorgen, dass im laufenden Jahr doch mehr Kunden ihre Einmalbeitragsverträge kündigen und ihr Geld anderswo unterbringen. Sollte es nicht so kommen und die deutschen Kunden wie seit Jahrzehnten üblich treu zu ihren Versicherern stehen, würden diese die stillen Lasten in ihren Anlagen problemlos bis zur Endfälligkeit aussitzen.

Allerdings belastet die Zinswende trotzdem erheblich – weil die Lebensversicherer jetzt in großem Umfang in ihren alten, niedrigverzinsten Anlagen gefangen sind. Solvency II hatte das so vorgegeben; die Aufsichtsbehörden achteten zudem mit Nachdruck darauf, geachtet, dass die Garantien mit den entsprechenden Papieren abgesichert waren. Mit der starken Inflation finden sich die Lebensversicherer aber nun in einer Welt wieder, für die Solvency II eher weniger gemacht ist.

Weil mit dem schrumpfenden Neugeschäft – das zudem häufig auch in investmentorientierte Produkte geht und nicht in den Deckungsstock – auch weniger Geld hereinkommt, das man zu höheren Zinsen anlegen kann, droht die Branche den Anschluss an die Marktzinsen zu verlieren. Wer es sich leisten kann, nimmt den Verlust beim Verkauf von Altpapieren hin, investiert das Geld neu und erhöht seine Verzinsung. Die Rückflüsse aus der ZZR können dabei helfen. Wer sich das nicht leisten kann, fällt im Wettbewerb zurück – ironischerweise genau deshalb, weil er sich an die sicherheitsorientierten Vorgaben der letzten Jahre gehalten hat.

Die eigentliche Gefahr der Zinswende könnte die Lebensversicherer also mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung treffen. Und es droht – anders als bei den Banken – kein bedrohlicher kurzfristiger Abzug der Kundengelder, sondern eine langsame Auszehrung, weil der Spielraum in der Kapitalanlage zu stark eingeengt ist. Das belastet dann künftig das Neugeschäft und reduziert den Zufluss neuer Mittel weiter. Die Zinswende hat die Lebensversicherer vom Joch der Altgarantien befreit. Dafür bringt sie neue Probleme, die für manche Gesellschaft zu einer echten Belastungsprobe werden können.

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