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Mehr Gelassenheit in Kfz

1. September 2024

Dr. Marc Surminski |

Steht der Kfz-Versicherung ein heißer Herbst bevor? 2023 haben es die Autoversicherer nicht geschafft, das Prämiennivau an die galoppierenden Schadenaufwendungen anzupassen. Jetzt muss das nachgeholt werden. Dazu scheint die Branche entschlossen: Berichte über 50% Prämienanpassungen machen im Spätsommer die Runde; große Autoversicherer ziehen sich aus dem Geschäft mit Pools zurück, weil es zu schadenträchtig sei. Makler-Sondertarife für Nischenprodukte werden aufgegeben.

Es sieht so aus, als ob eine jahrelange Entwicklung damit an ihren Endpunkt kommt. Der deutsche Autoversicherungs-Markt ist traditionell durch einen hohen Wettbewerbsdruck gekennzeichnet. Entscheidendes Erfolgskriterium war dabei immer der Preis. Mit den satten Gewinnen aus der Corona-Zeit entstand der Eindruck, als ob der Verdrängungswettbewerb über den Preis noch problemlos weiter fortgesetzt werden könnte. Inzwischen ist die Branche brutal von der neuen Schadenwirklichkeit eingeholt worden. Wenn jetzt Makler klagen, dass ihre Bestände saniert werden, zeigt das nur, dass auch dieser Teil des Kfz-Geschäftes inzwischen auf dem harten Boden der Realität angekommen ist und es viele Versicherer offenbar ernst meinen mit der Sanierung.

Allerdings steht der echte Härtetest für die Kfz-Versicherer noch aus: Mit der Wechselsaison im Herbst wird sich zeigen, ob die Gesellschaften tatsächlich in größerem Umfang auf Geschäft verzichten, um dafür die Ertragssituation in Kfz substantiell zu verbessern. Außerdem reduzieren natürlich die steigenden Kapitalerträge den Druck auf die Kalkulation. Mit höheren Kapital-Renditen lassen sich auch höhere Combined Ratios fahren – sicherlich nicht 110%, wie im Marktschnitt 2023, aber leicht über 100% schon. Und Kfz gilt vielerorts nach wie vor als Schlüsselsparte für den Zugang zum Kunden – gerade für jüngere Menschen, die noch am Anfang ihrer „Versicherungskarrieren“ stehen.

Der Blick auf den Kunden könnte auch dafür sorgen, dass die Sanierung doch nicht so hart ausfällt, wie Rückversicherer und Analysten es unermüdlich fordern. Bei Preiserhöhungen in Kfz sollte man an die gesamte Kundenbeziehung denken. Im Idealfall hat er mehrere Verträge abgeschlossen – und das Geschäft in anderen Kompositsparten wie Haftpflicht oder Hausrat ist in der Regel sehr profitabel. (Wohngebäude eher weniger.) Verluste in Kfz können also durch Gewinne in anderen Sparten ausgeglichen werden. Das ist zwar gegen die reine Lehre der Kalkulation, nach der sich jede Sparte aus sich selbst heraus tragen muss. Aber im wahren Leben sieht es nun einmal ganz anders aus. Und wenn der Ertragswert eines Kunden vernünftig kalkuliert werden kann, dann ist nichts dagegen einzuwenden, wenn einzelne Sparten andere Bereiche subventionieren, solange unter dem Strich schwarze Zahlen herauskommen.

Die markigen Forderungen nach harter Sanierung in Kfz klingen auch nicht so ganz überzeugend, wenn man sich die Ertragssituation in Komposit insgesamt anschaut: Die Combined Ratio lag über alle Sparten in 2023 bei 98%, und die Kompositsparten haben mit einem technischen Gewinn von immerhin rd. 1,5 Mrd. Euro abgeschlossen. Natürlich ist Auto mit Abstand die größte Sparte, und Verluste dürfen hier gerade bei Kfz-lastigen Versicherern nicht ausarten. Aber das Wohl und Wehe der deutschen Kompositversicherer hängt insgesamt nicht davon ab, dass die Combined Ratio in der Autoversicherung immer unter 100% liegt.

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