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Reformen für die Vollversicherung?

1. Oktober 2022

Dr. Marc Surminski |

Was kann eine Branche tun, wenn sie in ihrem Kerngeschäft nicht mehr wächst? Sie sollte auf neue Geschäftsfelder setzen – oder über neue Wege im Kerngeschäft nachdenken. Die PKV ist in dieser Situation. Die Vollversicherung stagniert seit Jahren. Neue Geschäftsfelder versucht die Branche etwa im Bereich Pflege oder bKV zu erschließen – bislang nicht so erfolgreich, als dass sie beim Volumen auch nur in die Nähe der Vollversicherung kommen würden. Gleichzeitig reduziert die Politik die Wachstumsmöglichkeiten in der Vollversicherung seit Jahren durch die stetige Anhebung der Pflichtgrenze. Verbesserungen sind hier auf Sicht kaum zu erwarten.

Wie könnte man das Kerngeschäft der privaten Krankenversicherer wieder attraktiver machen? In der Gruppe der gutverdienenden Angestellten hat die PKV ihr Potenzial nur zu einem kleinen Teil ausgeschöpft. Was müsste man tun, um für die freiwillig Versicherten der GKV einen Wechsel in die PKV attraktiver zu machen? Es sind zwei Punkte, die jüngere Gutverdiener heute häufig von einem Wechsel abhalten: die Beitragspflicht von Frauen während der Mutterschaftszeit und die Beitragspflicht von Kindern. Diese konkreten Nachteile der PKV gegenüber der GKV sind deutlich zu spüren. Und der Verweis, dass man in der PKV langfristig meist besser fährt, hilft hier meistens auch nicht weiter, weil die Kunden natürlich vor allem ihre Lasten für die nähere Zukunft sehen.

In der PKV hat eine Diskussion darüber begonnen, wie man bei diesen beiden Punkten neue Wege beschreiten könnte – etwa mit einer beitragsreduzierten oder beitragsfreien Mitgliedschaft von Müttern und von Kindern. Dabei müsste man die traditionelle risikoadäquate Kalkulation für diese Fälle aufgeben und auf eine Art Umlage setzen, bei der etwa die Gesamtheit der Vollversicherten die Kosten der Kinder mitträgt. Wie aus der Branche zu hören ist, würde das nur eine vergleichsweise geringe Mehrbelastung für jeden einzelnen Bestandskunden mit sich bringen. Ohne großen Aufwand könne man damit die Vollversicherung für junge Menschen attraktiver machen. Hier entscheiden sich heute viele Gutverdiener gegen die PKV, weil sie nicht später für alle Familienmitglieder extra bezahlen wollen.

Die Frage ist, ob ein solch mutiger Reformschritt erfolgversprechend wäre. Zum einen setzt er die Zustimmung der Altkunden voraus. Und wer extra in früheren Jahren für seine eigenen Kinder den Versicherungsschutz bezahlen musste, wird es jetzt womöglich ungerecht finden, dass er nun auch noch die kostenlose Mitversicherung für die Kinder jüngerer Kunden mitfinanzieren soll. Außerdem ist zu überlegen, ob man mit so einem revolutionären Konzept nicht wartet, bis es in der Politik auf fruchtbareren Boden fallen kann. Aktuell gilt unter Gesundheitsminister Lauterbach weiter die Devise: keine Veränderung des Status Quo im Dualen System. Ein derartiges Reformkonzept hätte also momentan keine Chance auf eine politische Umsetzung. Vielleicht wäre es klüger, eine solche Idee intern genau zu prüfen und dann mit einem fertigen Konzept erst zur nächsten Bundestagswahl an die Öffentlichkeit zu gehen, um eine gute Zukunftsperspektive für die PKV aufzuzeigen.

Dass Reformen in der Vollversicherung aber durchaus nötig sind, zeigt seit Jahren ein Blick auf die Neugeschäftszahlen im PKV-Report der Zeitschrift für Versicherungswesen. Nur eine Handvoll Versicherer kommen überhaupt noch auf substantielle Wachstumswerte. Und angesichts der heraufziehende Rezession und der starken Belastungen aller Haushalte durch die Energiekrise zeichnet sich schon jetzt ein rückläufiges Neugeschäft für die Jahre 2022 und 2023 auch in den Zusatzversicherungen ab. Am Ende könnte die PKV dazu gezwungen sein, über ihren Schatten zu springen und die Vollversicherung zu reformieren – um ihr Potenzial hier besser zu erschließen und einer kontinuierlichen Schrumpfung entgegenzuwirken.

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