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Rentenpolitische Weichenstellungen

15. März 2020

Dr. Marc Surminski |

Das deutsche Rentensystem steht vor entscheidenden Weichenstellungen. Lange wurden die tiefgreifenden demographischen Veränderungen bewusst ignoriert und die Lösung der Probleme an künftige Expertenkommissionen delegiert. Gleichzeitig handelten beide Regierungsparteien bei der gesetzliche Rente so, als wenn die paradiesischen Zustände in der deutschen Wirtschaft auf ewig anhalten würden und das Füllhorn des Staates unaufhörlich sprudeln könnte.

Jetzt müssen Entscheidungen getroffen werden, die das System auf Jahrzehnte beeinflussen. Mit der Grundrente setzt die geschwächte Große Koalition auf ihren kleinsten gemeinsamen Nenner: Probleme mit Geld zu lösen, das man jetzt hat, aber in der Zukunft eher nicht. Mit den Vorschlägen der Rentenkommission, die in Kürze erwartet werden, wird sich zeigen, wie viel Reformkraft zumindest die Experten bei der Weiterentwicklung des Rentensystems aufbringen. Die Zusammenstellung der Kommission nach Parteiproporz und erste interne Wasserstandsmeldungen lassen eher darauf schließen, dass es hier nicht zu großen Reformentwürfen mit auch schmerzhaften Änderungen etwa bei der Lebensarbeitszeit kommen wird, um das System langfristig gegen die demographischen Verwerfungen zu sichern.

Echter Reformeifer ist momentan erstaunlicherweise vor allem im Bereich der zusätzlichen Altersvorsorge zu spüren. Die meisten Politiker wissen, dass die Menschen hier mehr tun müssen, um Altersarmut zu verhindern. Die Gespräche über eine Reform der Riester-Rente laufen; es gibt zudem radikale Forderungen, die bisherigen Formen der Zusatzvorsorge gegen neue Konzepte wie die Deutschland-Rente auszutauschen, die stark auf Aktien setzen. Das könnte für eine echte Revolution in diesem Bereich sorgen – mit gefährlichen Folgen für Lebensversicherer und Vermittler.

Die Frage ist, ob Deutschland tatsächlich die Kraft für echte Reformen aufbringt. Auch hier stimmt die demographische Entwicklung pessimistisch: Alle wichtigen Entscheidungen für die Zukunft der Altersvorsorge müssen vor dem Hintergrund einer strukturellen Mehrheit der Rentner und der rentennahen Jahrgänge bei den deutschen Wählern getroffen werden. Bei der Bundestagswahl 2017 lag der Altersdurchschnitt der Teilnehmer zum letzten Mal unter 55 Jahren. In Zukunft haben die Rentner die Mehrheit. Das bedeutet: Es wird immer schwieriger, Einschnitte im bisherigen System politisch durchzusetzen. Der deutschen Demokratie droht eine strukturelle Unfähigkeit, die Probleme der Rente zu lösen, weil die jüngeren Wähler in der Minderheit sind und zukunftsweisende Politik keinen Wahlerfolg verspricht.

Vor diesem Hintergrund sind Politiker gefragt, die das Richtige tun, auch wenn es sie die Mehrheit kosten kann. (Gerhard Schröder weiß, wie das geht.) Es sind Reformer gefragt, die das System umbauen und dabei auf die richtigen Entscheidungen setzen (etwa bei der zusätzlichen Vorsorge), um schmerzhafte Einschnitte an anderen Stellen auszugleichen. Wenn jetzt die Weichen falsch gestellt werden, fährt der deutsche Sozialstaat in den Abgrund. Die aktuelle Corona-Krise könnte der dringend nötige Weckruf für die Politiker sein, dass die fetten Jahre tatsächlich enden können und Zukunftsgestaltung nicht heißt, immer mehr Geld auszugeben.

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