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Rituelles Ringen in Rück

1. November 2021

Dr. Marc Surminski  |

Es ist das alte rituelle Ringen um die Vorhersage der Marktentwicklung in der Rückversicherung: Die Rückversicherer sprechen aktuell von einem unverändert harten Markt und einem weiter kräftig steigenden Prämienniveau. Makler sprechen von steigender Kapazität, die jeden Preisanstieg dämpft. Im Gegensatz zu früheren Zeiten mit ausgeprägten Zyklen, in denen man Verluste zurückverdienen konnte, fließt heute immer schnell und reichlich Kapital auf der Suche nach attraktiven Renditen in den Markt. Das ist das neue Dilemma der Rückversicherung: Die Schäden steigen, aber die Kapazität auch.

Corona und hohe Naturgefahrenschäden haben die Rückversicherer in den letzten beiden Jahren viel Geld gekostet. Und die Saison der Herbststürme ist in Europa noch nicht vorbei; ein zusätzliches Großereignis könnte 2021 zum noch teureren Schadenjahr im europäischen NatCat-Geschäft machen. Das sind tatsächlich gute Gründe für weiter deutlich steigende Preise, die sich zumindest für schadenbelastete Bereiche wohl auch realisieren lassen.

Dagegen steht insgesamt ein weiterer Anstieg der Kapazität auf ein neues Rekordniveau für die erste Hälfte des laufenden Jahres. Und es steht der Wachstumsappetit dagegen, den etliche Rückversicherer zuletzt wieder bekundet haben. Der zielt nicht nur auf Ratenerhöhungen ab, sondern auch auf Neugeschäft. Natürlich wollen alle nur profitabel wachsen. Aber das gelingt nicht immer, wie die Erfahrung zeigt. Cyber war in den letzten Jahren eine der großen Wachstumshoffnungen auch der Rückversicherer. Hier angesichts der stark steigenden Schadenlasten tatsächlich profitabel zu wachsen und dabei auch noch die benötigte Kapazität für die bei den Kunden schnell steigenden Risiken bereitzustellen, wird zu einer der größten Herausforderungen in den nächsten Jahren.

In Kfz zeigt sich das Grundproblem des Rückversicherungsmarktes besonders gut: Auf eine längere Phase mit einigermaßen auskömmlichen Marktverhältnissen folgten die zwei herausragenden Corona-Jahre, die den Erstversicherern wegen sinkender Fahrleistungen satte Erträge brachten. Das könnte womöglich dazu verführen, mehr ins Wachstum zu investieren. 2022 wird sich die Ertragslage nach allen Prognosen aber wieder deutlich verschlechtern. Was passiert nun bei der Erneuerung? Während Rückversicherer keinen Preiswettkampf sehen, sprechen die Vergleichsportale von spürbar fallenden Preisen zur Wechselsaison. Es muss sich zeigen, wie stark die Preisdisziplin nach zwei sehr guten Jahren bei den Erstversicherern am Ende tatsächlich ist. Auch das Verhalten der beiden Marktführer HUK-Coburg und Allianz, die auf Marktanteilsgewinne ausgerichtet sind, dürfte dafür entscheidend sein.

Gute Gründe gäbe es genug, 2022 diszipliniert zu sein. Aus der seit Jahren zu beobachtenden Inflation bei den Schadenzahlungen ist mittlerweile eine Inflation der gesamten Wirtschaft geworden. Gleichzeig verharren die Zinsen auf Tiefstständen. Um den Inflationslasten bei den Schäden zu begegnen, müssen die Schadenrückstellungen entsprechend aufgefüllt werden. Preiserhöhungen oder Nachreservierungen? In der aktuellen Marktlage sind das beides keine angenehmen Handlungsoptionen. Aber ein Grund mehr, bei den Preisen nicht allzu sehr nachzugeben und auf Wachstumsexperimente zu verzichten. Am Ende könnte sich daraus dann eine ziemlich langweilige Erneuerungsrunde ergeben: Solide Preise mit einigen Ausschlägen nach oben, und stabile Verhältnisse in der Rückversicherung.

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