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Toxische Pensionen

1. Juni 2021

Dr. Marc Surminski |

Im Bundestagswahlkampf geht es diesmal auch um so elementare Dinge wie die Zukunft der Altersvorsorge und des dualen Gesundheitssystems. Während hier um grundsätzliche Weichenstellungen für die Zukunft gestritten wird und revolutionäre neue Lösungen zur Diskussion stehen, bleibt ein anderer Bereich der Vorsorge außen vor: Wie sollen künftig die Beamten-Pensionen bezahlt werden? Es geht um Lasten in Billionen-Höhe, die Bund und Länder schultern müssen – und damit auch die Steuerzahler. Noch größer als in der gesetzlichen Rentenversicherung sind hier die Versäumnisse der Politik – und noch dringender die Not, einen Teil der Lasten über den Kapitalmarkt zu stemmen.

Nach Berechnungen des Instituts der Wirtschaft haben allein Landesbeamte aktuell Anspruch auf Pensionen in Höhe von 1,23 Billionen Euro. Und die meisten Länder haben für diese Ausgaben nicht vorgesorgt; Versorgungsrücklagen wurden kaum angelegt. Dabei ist das Problem seit langem bekannt: Heide Simonis, frühere Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, setzte sich schon in den 90er Jahren öffentlichkeitswirksam für die Schaffung von Rücklagen über Versorgungsfonds ein, die auch am Kapitalmarkt investieren sollten. Geschehen ist seitdem wenig. Auch der Gedanke, die heutigen Beamten stärker an der Finanzierung ihrer im Vergleich zu den Renten durchweg üppigen Pensionen heranzuziehen, hat sich kaum durchgesetzt. Dabei sind die künftigen Lasten durch die politisch gewollte starke Verbeamtungswelle gerade in den letzten Jahren weiter kräftig angestiegen. Aber wer etwa Jung-Lehrer ins eigene Bundesland locken will, dürfte es für keine gute Idee halten, diese gesuchten Kräfte als Neubeamte gleich mit einem neuen System der Zuzahlung für die eigene Altersvorsorge zu behelligen.

Längst ist die Politik zur Gefangenen dieser Entwicklung geworden; eine Reform des Systems hat sich keine Partei auf die Fahnen geschrieben. Sie wäre angesichts der starken Beamtenlobby und der hohen Wahlbeteiligung dieser Klientel auch mit erheblichen Risiken verbunden. Dabei geht es bei den Beamtenpensionen um die gleichen Probleme wie in den Umlagesystemen der Sozialversicherung: Die Vorsorgelasten werden vom Geld der Berufstätigen bezahlt; mit dem demographischen Wandel wird das aber auf Sicht unbezahlbar. Und mit dem anstehenden Ruhestand der Babyboomer-Generation nimmt das Problem wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung gewaltige Ausmaße an.

Es ist höchste Zeit, dass die Politik bei der Beamtenversorgung auch verstärkt auf Kapitaldeckung setzt und die Lasten für die künftigen Pensionen wenigstens teilweise in den Kapitalmarkt auslagert. Was in der privaten Altersvorsorge mittlerweile Konsens bei den meisten Parteien ist – ohne eine Stärkung der zusätzlichen kapitalgedeckten Vorsorge wird es nicht gehen –, kann bei den Beamtenpensionen nicht falsch sein. Länder wie die USA, wo etwa die Pensionsfonds der Lehrergewerkschaften zu den größten Kapitalanlegern gehören, geben die Richtung vor, auch wenn solche Ideen bei Mitgliedern der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft eher für Schockzustände sorgen dürften. Die Politik muss jetzt aber einen Anfang machen, um für die gewaltigen Pensionslasten der Beamten Rücklagen zu bilden und für die Bewältigung des Problems den Kapitalmarkt zu nutzen. (Und damit ist nicht gemeint, dass sich Deutschland am Kapitalmarkt zu Negativzinsen noch stärker verschuldet.) Alles andere wäre, um das große Hype-Wort dieses Wahlkampfs zu benutzen, nicht nachhaltig – und eine Verschiebung von Reformen zu Lasten künftiger Generationen. Beamtenpensionen sind letztlich ähnlich toxisch wie die Kohleindustrie.

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