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Vertriebsillusionen

15. September 2021

Dr. Marc Surminski |

Nach der Bundestagswahl drohen gravierende Veränderungen für die Branche. Die Befürchtungen vieler Versicherer richten sich vor allem auf die Krankenversicherung und die geförderte Altersvorsorge, wo bei neuen politischen Mehrheiten tiefe Einschnitte in das bisherige Geschäftsmodell wahrscheinlich wären – bis zum Ende der PKV als Vollversicherung. Aber auch für die Vermittler könnten sich dramatische Neuerungen ergeben: Die Abschaffung der Abschlussprovisionen, die etwa die Grünen auf der Agenda haben, würde erhebliche Teile des Vertriebs austrocknen lassen.

Hier rächt sich womöglich die Blockadehaltung der Branche, die in der letzten Legislaturperiode mit Hilfe der Union eine Deckelung der Abschlussprovisionen in der Lebensversicherung verhindert hat. Jetzt könnte ein solcher Deckel als das deutlich kleinere Übel erscheinen. Überhaupt hat die Branche wenig dafür getan, die von Politikern aller Parteien als zu hoch kritisierte Vertriebskostenbelastung zu reduzieren. Die Summe der Abschlussaufwendungen in der Lebensversicherung, aber auch in der Krankenversicherung hat sich in dieser Zeit kaum verändert. Das ist eine offene Flanke für Angriffe einer neuen Bundesregierung, die sicherlich das Thema Verbraucherschutz deutlich weiter nach oben auf die Agenda setzen dürfte als die bisherige Große Koalition.

Problematisch könnte es für Versicherer und Vermittler auch werden, wenn sich Politiker und Verbraucherschützer dafür interessieren, inwieweit denn im Vertrieb die Vorgaben von IDD und VAG für eine Vermittlung ausschließlich im Kundeninteresse umgesetzt wurden. Hier brachte die aktuelle Befragung des BVK zu den Strukturen im Vermittlermarkt bedenkliche Ergebnisse: Nach wie vor spielen Bonuszahlungen bei der Vergütung des Vertriebs eine wichtige Rolle: 89% der Ausschließlichkeitsvertreter bekommen sie, bei rd. 17% machen sie immerhin über 20% der Gesamteinnahmen aus.

Das bedeutet: Ein erheblicher Teil des Vermittlereinkommens beruht immer noch auf Bonuszahlungen, die meist von der Erreichung bestimmter quantitativer Vertriebsvorgaben abhängen. Das lässt sich schwer mit der rechtlichen Vorgabe in Einklang bringen, dass die Vergütung sich nur an den Interessen der Kunden ausrichten soll. Die Verbraucherschützer dürften diese Zahlen als Bestätigung ihrer Ansicht sehen, dass die Vergütung im Versicherungsvertrieb radikal verändert werden muss. Ist man der Branche wohlgesonnen, könnte man formulieren, dass sie im Vertrieb mancherorts den Schuss noch nicht gehört hat und weiter auf Vergütungsmodelle setzt, die zu den geänderten rechtlichen Vorgaben nicht mehr passen.

Vertriebssteuerung und Vergütung werden dabei künftig nicht nur in den Fokus der Politik geraten, sondern auch ins Visier der Justiz. Wer nicht dafür sorgt, dass Beratung und Vergütung sich ausschließlich an den Interessen der Kunden orientieren, dürfte sich in den nächsten Jahren häufiger vor Gericht wiederfinden. Die Versicherer müssen im Vertrieb dafür sorgen, dass ihre Beteuerungen, dem reinen Produktverkauf abgeschworen zu haben und für eine ganzheitliche Kundenberatung zu sorgen, auch in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Hier gibt es offenbar noch erhebliche Defizite. Man kann nur hoffen, dass die es Branche künftig nicht auf die harte Tour lernen muss, was der Gesetzgeber in Sachen Verbraucherschutz will.

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