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Vertriebskostendebatte: Eine Chance, neue Wege zu gehen

1. Dezember 2024

Dr. Marc Surminski |

Die deutsche Lebensversicherung hat ein Vertriebsproblem – und damit ist nicht gemeint, dass das Neugeschäft seit Ende des Einmalbeitragsbooms spürbar schwächelt. Damit ist gemeint, dass sich die Branche ihr reduziertes Neugeschäft mit unverändert sehr viel Geld einkauft. Die gesamten Abschlussaufwendungen der deutschen Lebensversicherer lagen 2023 wie in den Vorjahren bei rd. 8 Mrd. Euro.

Lange Zeit waren die Kosten eine eher theoretische Herausforderung für die Lebensversicherer. Bis auf Verbraucherschützer und verbraucherschutzorientierte Politiker, die unverdrossen ein Ende der Abschlussprovisionen fordern, interessierte das eigentlich kaum jemanden ernsthaft. Das hat sich geändert. Die BaFin zielt mit ihrer Wohlverhaltensaufsicht und der Überprüfung der Kostenlasten genau auf die Frage, welchen Wert die Kundenberatung in der Lebensversicherung hat, wenn die Kosten eine vernünftige Rendite verhindern (und zu viele Kunden ohnehin stornieren, bevor die Verträge überhaupt Rendite abwerfen können).

Die Branche sollte diese Gelegenheit nutzen und die Kosten im Vertrieb optimieren, so schwer das auch angesichts der Einflussnahme von wichtigen Vertriebswegen wie Banken und Großvertrieben für viele Versicherer sein mag. Sie sollte dabei nicht auf die Argumente mancher Vermittler-Interessenvertreter hören, die in der politischen „Value for Money”-Debatte lieber von der Kostendiskussion ablenken und stattdessen die Qualität der Beratung und die Höhe der dadurch erzielbaren Renditen in den Vordergrund rücken wollen.

Das ist keine ungefährliche Argumentation, denn viele Vermittler wären wohl damit überfordert, bei Fondspolicen für eine optimierte Anlagestrategie zu sorgen. Und in der Vertriebsrealität zeigt sich ohnehin, dass ein erheblicher Anteil der fondsgebundenen Verträge nach Abschluss nicht mehr angefasst wird. Von einer kontinuierlich die Rendite optimierenden Beratung der Kunden kann also häufig kaum die Rede sein.

Wer langfristige Beratungsqualität will, kommt um eine entsprechend langfristig orientierte Vergütung der Vermittler in der Altersvorsorge nicht herum. Und weil immer mehr Vorsorgelösungen der Lebensversicherer heute fondsorientiert sind, wird die Rolle der langfristig begleitenden Beratung bei der Fondswahl immer größer. Sie muss angemessen honoriert werden – und die Abschlussvergütung entsprechend zurückgehen. Es dürfte auch im Sinne der BaFin sein, wenn dadurch die niedrigeren Kosten zu Beginn eines Vertrages die Policen schneller ins Verdienen bringen und für vernünftige Renditen sorgen.

Der scharfe Protest, der allen Plänen für Veränderungen der Vergütungsstruktur hin zu mehr laufenden Provisionen im Markt heute regelmäßig entgegenschlägt, ist erstaunlich. In früheren Jahren war die Vermittlerschaft schon einmal weiter: So votierten 2013 beim Niedersächsischen Versicherungstag zwei Drittel der teilnehmenden Vertreter und Makler für eine vollständige oder wenigstens teilweise Umstellung auf laufende Provisionen. Es wäre spannend zu erfahren, wie die breite Masse der Vermittler heute darüber denkt. Das Interesse an planbaren, regelmäßigen Einkünften und an einer Beratung, die im Sinne der BaFin das Kundeninteresse in den Vordergrund stellt, wäre sicherlich bei vielen Vertretern und Maklern durchaus vorhanden. Vielleich sollte man einfach einmal nachfragen, statt die Debatte immer den lautesten Interessenvertretern zu überlassen, die häufig vor allem daran interessiert sind, den Status Quo im Vertrieb zu erhalten.

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