Was bringt die Frauenquote?
15. Dezember 2020Dr. Marc Surminski |
Was bedeutet die von der großen Koalition angekündigte Vorstandsfrauenquote für die deutsche Versicherungwirtschaft? Zunächst einmal wenig, denn nur ein paar Versicherer sind überhaupt betroffen, weil die Quote für börsennotierte Unternehmen gilt. Und global agierende Konzerne wie Allianz und Münchener Rück haben schon heute mindestens eine Frau im Vorstand. Talanx und Hannover Rück hätten Nachholbedarf; beim preußisch geführten Digitalversicherer und Börsenliebling Deutsche Familienversicherung gibt es ebenfalls noch keine Frau im Vorstand.
Über die engen gesetzlichen Vorgaben hinaus hat eine Quote für den Vorstand aber natürlich noch eine wesentlich größere Wirkung: Sie ist eine Aufforderung, auch in den obersten Führungsgremien der Finanzwirtschaft anzuerkennen, dass man im 21. Jahrhundert lebt. Gerade bei vielen kleineren und mittleren Versicherern ist der Vor-stand bis heute eine frauenfreie Zone; gerade manche Versicherungsvereine tun sich besonders schwer damit, das zu ändern. Hier sind auch die Aufsichtsräte in der Regel fest in Männerhand; es fehlt zudem meist der öffentliche Druck und damit die unmittelbare Notwendigkeit, diese traditionellen männlichen Biotope zu verändern.
Aktiengesellschaften müssen hier wesentlich flexibler reagieren, gerade wenn sie auch international tätig sind. Hier ist man deshalb seit Jahren schon weiter und weiß, dass mehr Diversität in den Führungsgremien kein unnötiges Zugeständnis an die Political Correctness ist, sondern eine selbstverständliche Vorgehensweise, wenn man die Performance eines Führungsgremiums verbessern will. In der Bewertung des Kriteriums Governance (das „G“ der Nachhaltigkeitskategorien ESG) wird sich künftig immer deutlicher widerspiegeln, wie Investoren das Management eines Unternehmens bewerten. Ohne Frauen in den Spitzengremien gibt es dann ein Minus.
Natürlich ist die Quote eine schlechte Lösung. Besser wäre es, man bräuchte sie nicht. Aber weil es hier in Deutschland nicht so vorangeht, wie es andere Länder vor-machen, kommt man nun an einer gesetzlichen Regelung nicht vorbei – in der Hoffnung, dass die Vorgabe auf die gesamte Wirtschaft abstrahlt und auch nicht börsennotierte Konzerne und Mittelständler mitziehen.
In der Versicherungwirtschaft ist, anders als etwa in der produzierenden Industrie, der Frauenanteil in der Belegschaft traditionell besonders hoch. In früheren Jahren waren das vor allem Sachbearbeiterinnen. Heute sieht es aber schon deutlich anders aus: Viele hochspezialisierte Jobs sind von Frauen besetzt. In den letzten Jahren ist der Frauenanteil auch auf den unteren Führungsebenen gestiegen.
Wer aber im Kampf um die besten Talente künftig die Spitzen-Hochschulabsolventinnen für die Versicherungwirtschaft gewinnen will, muss ihnen auch die Möglichkeiten bieten, es bis ganz nach oben schaffen zu können. Die Assekuranz hat seit Menschengedenken nicht die beste Reputation in der Öffentlichkeit; die bisher meist maskulin geprägte Vertriebskultur trug dazu wesentlich bei. Die fehlenden Chancen für Frauen in Spitzenjobs sollten künftig kein belastender Image-Faktor sein. Hier hat die Branche es in der Hand, aus eigener Kraft gegenzusteuern, egal ob es nun ein Gesetz gibt oder nicht.
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