Wie unabhängig ist der Makler?
15. Oktober 2023Dr. Marc Surminski |
Die EU-Kommission hat mit ihrem Entwurf zur Kleinanlegerverordnung die deutsche Maklerszene in helle Aufregung versetzt – und gleichzeitig ein uraltes Problem des Maklers wieder auf die politische Tagesordnung gebracht. Wie unabhängig kann der Makler sein, wenn seine Arbeit nicht vom Kunden bezahlt wird, sondern vom Versicherer?
In Deutschland war diese Front lange befriedet: Dass der Sachwalter des Kunden vom Versicherer über die Courtage vergütet wird, störte hierzulande nur noch einige Verbraucherschützer und die Anhänger der Honorarberatung, die sich allen Bemühungen zum Trotz aber bei uns nie durchgesetzt hat und deren Umsetzung auch längst nicht mehr auf der politischen Agenda steht.
Jetzt hat Brüssel die alte Wunde wieder aufgerissen. Unabhängig soll sich ein Vermittler künftig nach der Kleinanlegerverordnung im Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten nur noch dann nennen dürfen, wenn er keine Vergütung vom Versicherer bekommt. Diese Forderung hat einen heftigen Streit von Lobbygruppen und der von ihnen bemühten Rechtsgelehrten ausgelöst. Die eine Seite sieht in der Vorgabe aus Brüssel ein (europarechtswidriges) Provisionsverbot für Makler, die andere Seite weist darauf hin, dass Makler weiter gegen Provision vermitteln dürfen, aber dafür gegenüber dem Kunden offenlegen müssen, dass sie vom Versicherer bezahlt werden.
Sollte die zweite Auffassung zutreffen, brächte es den Makler in eine ungute Situation: In allen Sparten tritt er gegenüber den Kunden als unabhängiger Vertreter seiner Interessen auf. Bei Versicherungsanlageprodukten (vulgo: Lebensversicherungen) müsste er seinem Kunden aber sagen, dass er hier anders unabhängig ist: nämlich als Provisionsempfänger der Versicherer. Das wissen die meisten Kunden natürlich ohnehin; es aber einmal noch schwarz auf weiß kommunizieren zu müssen ist wenig hilfreich für das Image der Makler.
Egal, was am Ende nun in der Kleinanlegerverordnung der EU-Kommission steht (ihre Vertreter haben selbst beteuert, dass kein Provisionsverbot damit beabsichtigt gewesen sei): Die Makler müssen sich in der Öffentlichkeit aktuell mit der Frage befassen, ob die Art ihrer Vergütung grundsätzlich mit ihrem Status als unabhängige Sachwalter des Kunden kollidiert. Eine pauschale Aussage für den Markt ist hier kaum möglich; aber vor allem bei den kleineren Privatkundenmaklern, die in der Personenversicherung tätig sind, ist diese Kollision immer wieder zu beobachten.
Durch den Brüsseler Entwurf steht jedenfalls das traditionelle Selbstverständnis der deutschen Makler auf dem Prüfstand. Die meisten hoffen, dass die umstrittene Definition der Unabhängigkeit am Ende aus der Kleinanlegerverordnung verschwindet und alles so bleibt wie vorher. Es ist aber momentan offen, ob sich die Makler nicht doch noch einmal grundsätzlich mit ihrem Status auseinandersetzen müssen, wenn Europa es so will.
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