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Wieviel Liebe braucht ein Versicherer?

15. Juli 2020

M.S. |

Das New Yorker Insurtech Lemonade ist mit großem Erfolg an die Börse gegangen. Das Ziel des Digitalversicherers: „Der meistgeliebte Versicherer der Welt zu werden.“ Große Ziele sind immer gut, vor allem im Startup-Geschäft. Und Lemonade hatte sich gerade die Versicherungswirtschaft für eine digitale Revolution ausgesucht, weil sie eine der unbeliebtesten Branchen überhaupt sei. „Alle hassen Versicherungen“, war die Ausgangsbeobachtung für den Aufbau des digitalen Newcomers, der seinen Kunden ein neues Versicherungserlebnis verspricht.

Aber lässt man all das vollmundige PR-Geklingel einmal beiseite, dann hat Lemonade mit seinem Konzept die Branche an einem wichtigen Punkt getroffen. Das gilt weniger für die große digitale Einfachheit, die es jungen Kunden ermöglichen soll, simpel und sekundenschnell über ihr Smartphone Verträge abzuschließen und auch Schäden anzumelden und reguliert zu bekommen. Ähnliche Angebote machen auch andere Insurtechs; die große digitale Erleichterung des Versicherungsgeschäftes ist heute kein Alleinstellungsmerkmal mehr, selbst wenn man das Ganze noch etwas besser hinbekommt als die Konkurrenz.

Das Geschäftsmodell der Sachversicherung auf den Kopf gestellt

Viel wichtiger ist ein anderer Punkt, mit dem Lemonade das bisherige Geschäftsmodell der Sachversicherung auf den Kopf stellen könnte: Das Insurtech zieht von den Prämien der Kunden 25% für Verwaltung, Werbung und Gewinn ab. Der Rest ist für Schäden und Rückversicherung bestimmt. Bleibt davon etwas übrig, wird es an gemeinnützige Organisationen gespendet, die die Kunden vorschlagen können. 2019 kamen dafür immerhin 600.000 US-Dollar zusammen – bei einem Prämienvolumen von 116 Mio. US-Dollar.

Dieses System hat zwei Vorteile: Die Kunden sind womöglich motiviert, die Schäden nicht in die Höhe zu treiben, um die Spende am Ende eines Jahres nicht zu gefährden. Das könnte den Mitgliedergedanken und das Gemeinschaftskonzept, Ursprung des Versicherungswesens, im Zeitalter der Digitalisierung neu beleben.

Wichtiger noch: Der Versicherer ist bei diesem Geschäftsmodell nicht motiviert, die Schadenbearbeitung möglichst restriktiv zu halten, um damit am Ende den Gewinn des Unternehmens zu stärken. (Vorausgesetzt natürlich, man hat die Pauschale für Schäden und Rückversicherungsschutz richtig kalkuliert). Auf diese Weise wäre ein zentrales Ärgernis aus der Welt geschafft, das bislang häufig die Kundenbeziehung trübt und gern im Pauschalvorwurf mündet: Wenn es darauf ankommt, zahlen die Versicherer nicht oder versuchen, die Zahlung möglichst gering zu halten. Der Versicherer Lemonade lebt von einer festen Gebühr, nicht vom Erfolg in der Schadenbearbeitung.

Es muss sich zeigen, ob das Geschäftsmodell von Lemonade wirklich funktioniert und ob das Moralische Risiko die Kalkulation nicht bedroht, falls zu viele Kunden das Unternehmen übervorteilen wollen. Es wird auf jeden Fall eine Form der wirkungsvollen Leistungsprüfung geben müssen, damit die Kalkulation nicht aus dem Ruder läuft. Zwischenzeitlich hatte der Newcomer bereits mit einem starken Anstieg der Schadenlasten zu kämpfen und musste auch bei den Neuabschlüssen deutlich restriktiver vorgehen.

Aber grundsätzlich hätte das Modell von Lemonade das Zeug dazu, den Umgang der Versicherer mit ihren Kunden zu revolutionieren, weil es den alten Widerspruch zwischen kundenfreundlicher Regulierung und Ertragsinteressen des Versicherers überwindet. Am Ende muss es ja nicht gleich Liebe sein. Zufriedenheit mit seinem Versicherer wäre ja auch schon etwas.

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